15. Oktober 2006

Vier auf einen Streich - worüber ein Blogger sonst noch schreibt

Die Welt besteht nicht nur aus Bloggen. Die (bezahlte) Arbeit auf anderen Baustellen des amerikanischen Sports geht kontinuierlich weiter. Aus der Kladde mit den letzten Geschichten in der Printausgabe der FAZ hier ein paar Gedanken und Betrachtungen, untermalt von zwei attraktiven Werbespots (Michael Phelps und Nike Hockey) und einem Kurzauftritt von Juan Pablo Montoya in seinem neuen Metier:

Über den Schwimmer Michael Phelps (erschienen am 14. Oktober):
Der Rest der Welt interessiert ihn nicht, solange alles nach Plan läuft. "Das einzige, was mir wichtig ist, bin ich." Dieses Ich scheint auch noch Jahre nach dem Ende der Pubertät in einem Körper zu stecken, der nicht für das Leben an Land geschaffen wurde. Wer ihm an diesem Morgen ausgiebig zuschaut, der sieht einen fast schüchternen Menschen mit linkisch wirkenden Bewegungen und Gesten. In Momenten im Scheinwerferlicht, in denen Amerikaner gerne aus sich herausgehen, wirken seine Erklärungen maschinell vorgefertigt. Dazu gehört die Verbreitung von Allgemeinplätzen, wie sie Bob Bowman von sich gibt, der ihn als Elfjährigen in einem Vorort von Baltimore entdeckt hatte: "Mein Trainer sagt: Deine größte Stärke ist deine größte Schwäche." Der Coach hat mal Kinderpsychologie studiert und wird schon wissen, wovon er redet.

Was an seiner Stärke so schwach sein soll, läßt sich an diesem Morgen nicht ermitteln. Als er sich aus der Trainingsjacke schält und den langen Oberkörper mit den enorm ausladenden Schultern freilegt und ins Becken geht und sich in dem ruhigen Wasser der für ihn abgeteilten Bahn in Bewegung setzt, fällt nur eines auf: Phelps, wahrscheinlich der großartigste Stilist, schwimmt nicht. Er gleitet, wie von einer unsichtbaren Kraft angeschoben anstrengungslos dahin. Nur die Arme, die in langsamem Takt mechanisch wie die Schaufeln einer Wassermühle aus der Tiefe kommen und wieder verschwinden, verraten, daß zu dieser Art der Fortbewegung auch grobmotorische Elemente gehören.

Über das erste Rennen des ehemaligen Formel-1-Fahrers Juan Pablo Montoya in Talladega/Alabama (9. Oktober 2006):
Irgend etwas an der Art und Weise, wie ein amerikanisches Stock-Car-Rennen abläuft, muß Juan Pablo Montoya in den letzten Jahren gefehlt haben. Sonst wäre er nicht am Freitag in Talladega so euphorisch aus seinem Auto gestiegen: "Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Spaß gehabt", sagte er. "Es ist irre. Du gehst ständig aufs Ganze." Der Dodge Charger mit der Nummer 4 zeigte am Ende Spuren der vergnüglichen Hatz, auf der der ehemalige Formel-1-Pilot so viele Autos überholt hatte, daß er nicht mehr mit dem Zählen nachgekommen war. "Es waren sicher 40", meinte er. Also alle.
Über die aufgeblähten Trainerstäbe in der National Football League, die inzwischen zu einem organisatorischen Problem werden (9. Oktober 2006):

Heute beschäftigen mehr als die Hälfte der 32 NFL-Klubs achtzehn und mehr Assistenztrainer. Ein beachtlicher Wert, selbst wenn man bedenkt, daß ein NFL-Team einen Kader von 53 Spielern hat.

Diese Planstellenzahlen gehen nicht nur ins Geld; die wohlhabenden Washington Redskins haben auf diesem Gebiet in diesem Jahr mit insgesamt 11 Millionen Dollar an Gehalt für einen zwanzigköpfigen Trainerstab einen neuen Ligarekord aufgestellt. Die Aufblähung des Personals produziert inzwischen logistische Probleme während der Meisterschaftsspiele am Spielfeldrand. Denn dort dürfen sich laut den Statuten - abgesehen von den offiziell gemeldeten Spielern - nur maximal 25 weitere Angehörige des Teams aufhalten, damit das Gedränge nicht zu groß wird. Festzulegen, wer von den Assistenten gebraucht wird und wer nicht, ist nicht das einzige Problem. Auch technisch stößt man an Grenzen. "Jeder will einen Kopfhörer", meint Herman Edwards, der die Kansas City Chiefs betreut und einen kollegialen Umgang mit seinem Mitarbeiterstab pflegt.
Über den Entwicklungsstand der National Hockey League ein Jahr nach dem Ende des Tarifstreits, dem eine ganze Saison zum Opfer fiel (6. Oktober 2006):
Tatsächlich ist die beste Eishockeyliga der Welt, deren Spieler inzwischen zur Hälfte aus Europa kommen, mal gerade aus dem Gröbsten heraus. Das nächste Problem lautet: der NHL fehlt es, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo die Mehrzahl der Klubs residieren, an Bildschirmpräsenz. Wenn Mannschaften wie die Hurricanes und die Sabres aufeinandertreffen, schalten quer über die gesamten Vereinigten Staaten nur 300 000 Zuschauer ein. Das sind jene Unentwegten, die im Dschungel des Kabelangebots den Kanal mit dem komischen Namen Versus gefunden haben, der die Übertragungsrechte besitzt. Versus wurde in diesem Sommer eigens umgetauft (von Outdoor Life Network), aber an seinem Status als Minderheitenanbieter konnte das nichts ändern. Unter diesem Image leidet die NHL mehr denn je.

So haben zwei der größten Tageszeitungen des Landes, die "New York Times" und die "Los Angeles Times", in deren Verbreitungsgebieten insgesamt fünf Teams zu Hause sind, zu einer deutlichen Sparmaßnahme gegriffen: Sie schicken keine Reporter mehr zu Auswärtsspielen mit und verwerten statt dessen das ziemlich dürre Material der Nachrichtenagentur Associated Press. "In unserem Markt ist es eine Randsportart", sagt der Sportchef der "Los Angeles Times".

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