17. November 2006

Anwaltslobby hat gewonnen. Zieht euch warm an

Man kommt vom Standort New York aus nicht umhin, sich die Rechtsrahmenentwicklung für die deutsche Bloggerwelt mit immer mehr Sorge anzuschauen. Es sieht ganz so aus, als ob abmahnwütige und klagelustige, unterbeschäftigte Anwälte hervorragende Kontakte zu den Parlamentariern besitzen, sonst würden nicht derartige Gesetze entstehen wie dieses. (via Nachspiel)

Es ist völlig egal, wie es heißt und aus wessen Zuständigkeit heraus es entstanden sein mag. Es geht bei dieser Entwicklung eindeutig darum, eine Ausprägung der Medien von unten zu verhindern oder wenigstens so stark zu reglementieren, dass sie extrem behindert wird. Es ist schön und gut, was da dankenswerter Weise vom Kollegen Simon Möller so zusammengefasst wird: "Wer im Internet Texte, Videos oder Audio-Dateien anbietet, muss sich nach denselben Vorschriften richten, die auch für professionelle Online-Medien gelten – egal, ob er nun ein großes News-Portal betreibt oder ein kleines Blog". Dagegen spricht erstmal gar nichts. Analogien gibt es zu Hauf - man denke nur an die durch Gesetze und eine lange Rechtssprechungsgeschichte juristisch feingetunte Welt des Straßenverkehrs, an der vom Lastwagen bis zum Fußgänger alles mögliche teilnimmt und wo die wilden Radfahrer die größten Freibriefe für sich in Anspruch nehmen.

Man muss aber als Fußgänger nicht erst einen juristischen Lehrgang machen oder eine Kanzlei auf Monatspauschalbasis anheuern, um klar zu kommen, und darf damit rechnen, dass man allenfalls in einem klar belegten Schadensfall als Verursacher herangezogen wird. Vor allem mit einer Keule muss man nicht rechnen: mit der Keule der Abmahnungen.

Das Internet entspricht auf mannigfache Weise dem Straßenverkehr. Das betrifft schon mal die Tatsache, dass es sich hier um eine Verkehrsform handelt - nämlich die der Kommunikation. Es gibt breite Straßen und Schleichwege, dicke Transporter und Flaniermeilen, langsame und noch langsamere Maschinen und ein heilloses Durcheinander der Richtungen und Interessen, wofür es einen gewissen Regelbedarf gibt. Es braucht vielleicht Einbahnstraßenschilder und Halteverbotszonen und andere Paralleleinrichtungen, die der Orientierung dienen können.

Aber alles andere geht über den echten Bedarf hinaus und bedeutet einen obrigkeitsstaatlichen Missgriff auf die Freiheiten von Bürgern, die eine bessere Demokratie und eine größere Vielfalt an Ansichten und Äußerungsmöglichkeiten dringend benötigen. Die alte Medienwelt mit den teuren Produktionsmitteln (Print, Rundfunk, Fernsehen) ist eine gigantische Maschine, die ständig nichts anderes versucht, als die Vielfalt zu vernichten (oder eine Scheinvielfalt wie bei den Frauenzeitschriften oder den Unterhaltungsprogrammen des kommerziellen Fernsehens zu produzieren, die wiederum den gleichen Effekt hat).

Wer sich nicht jetzt zu wehren beginnt, dem wird über kurz oder lang seine per Verfassung geschützte Garantie weggenommen. Das passiert nicht über einen Frontalangriff mit Hilfe von Gesetzen, sondern durch die Hintertür - bei den Niederlagen im Kampf um Anwaltsgebühren und Strafbefehle, einstweilige Verfügungen und ähnliche Killer.

Der einzige Trost: Dank der globalen Konstellation des Internets sind manche Dinge nur bis zu einem gewissen Grad durchsetzbar.

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