Es ist schon mehr als zehn Jahre her, dass ich bei einem Besuch der Chicago Bulls nach dem Match mit den anderen Reportern vor der Umkleidekabine stand und auf Einlass wartete (die Tür wird den akkreditierten Journalisten gewöhnlich zehn Minuten nach Spielende geöffnet). Ich traute meine Augen nicht: Da stand im dicken Wintermanetl niemand anderer als Reverend Jesse Jackson, kein Medienarbeiter, sondern ein berühmter schwarzer Pastor, der schon für Martin Luther King gearbeitet hatte, später einen vergeblichen Anlauf auf die Präsidentschaft unternahm und heute in den USA der Bürgerrechtspfarrer schlechthin ist. Ich ging auf ihn zu und fragte ihn zum Spiel (die Bulls hatten verloren). Aber alles, was er zu sagen bereit war, lautete: "No comment."
Jetzt wurde erstmals klar, in welcher Mission Jackson bisweilen in der NBA unterwegs ist: Als Seelsorger und Schlichter zwischen Spielern, die sich andernfalls gegenseitig an den Kragen gehen würden, weil sie einen durchgeknallten Begriff von Männerehre haben. Den jüngsten Waffenstillstand konnte er zwischen Ron Artest (Sacramento Kings) und Ben Wallace (Chicago Bulls) vermitteln, die vor zwei Jahren, als der eine noch bei den Indiana Pacers spielte und der andere bei den Detroit Pistons, in ein hässliches Handgemenge verwickelt waren, bei dem Artest in die Zuschauer ging und später die längste Sperre in der Geschichte der NBA kassierte.
Die beiden sprachen ein Gebet miteinander, sagte Jackson der Chicago Tribune (mit denen redet er) und begruben damit die aufgestauten Gefühle. Friede, Freude, Eierkuchen. Abgesehen davon, dass die Kings unnötigerweise das Spiel gewannen, das die Bulls gegen Ende eigentlich in der Hand hatten. Wallace sollte sich solche Friedensgesten vielleicht immer erst nach der Begegnung gestatten.
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