"Eingeprägt in die Erinnerung haben sich folgende Eindrücke: Ein sternenklarer, kalter Sommerabend, wie er in der Wüste üblich ist. Zuschauer auf den Tribünen des Centre Court von La Costa, die sich in Jacken und Sweat-Shirts gehüllt haben. Motten und Mücken in dem Flutlicht, das dem Rechteck der weißen Linien auf dem graugrünen Hartplatz eine surreale Schärfe gibt. Die lauten Rufe schläfriger Linienrichter. Und das Geplänkel zweier Spielerinnen, die einander in der Manier des Damen-Tennis von jenseits der Grundlinie mit allzu monotonen Schlägen in Verlegenheit zu bringen versuchen."Mit diesen Worten habe ich später meine Eindrücke über das letzte Spiel von Steffi Graf im Sommer 1999 auf der WTA Tour für die Schweizer Sonntagszeitung beschrieben. Ein Match, aus dem sie mit einer Oberschenkelverletzung ausstieg und das wegen dieser Mischung aus Banalität und Ereignislosigkeit seltsam nachhallte. Als Graf damals aufgab, erklärte sie uns Journalisten, dass sie nach einer Rehabilitationsphase weiterspielen werde. Tatsächlich wusste sie bereits auf dem Flug nach San Diego, dass sie absolut keine Lust mehr hatte. Sie ging und wurde von niemandem bezwungen und von niemandem gefeiert. Wohl auch deshalb wirkte dieser Auftritt von Steffi Graf in der Erinnerung wie ein Stück aus jenem schlechten Film, in dem sie jahrelang gefangen schien.
Der amerikanische Fernsehsender HBO hat in seiner Senderreihe Real Sports jenen Abend noch einmal kurz gestreift - im Rahmen eines seltenen Interviews, das das Ehepaar Agassi/Graf gab. Eigentlich sind die Reminiszenzen an sein und ihr Karrierende nur Nebengeräusche für die Public-Relations-Arbeit der beiden, die sich inzwischen mit Möbeldesign und Immobilienprojekten beschäftigen. Aber mitunter entdeckt man in solchen ausführlicheren TV-Beiträgen noch etwas mehr. Die Antwort auf die Frage: Weshalb Steffi Graf anders als andere große Figuren des Sports so tonlos ihre Karriere beendete. So war sie eben. So ist sie eben. Selbst heute noch sitzt sie auf der Couch vor der Kamera neben ihrem Lebenspartner und wirkt so, als ob sie am liebsten woanders wäre.
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