31. Januar 2010

Der Klingelbeutel: Obama auf Jobsuche

Mit sechzehn beim Dopen erwischt zu werden, ist für einen Baseballspieler in den USA vergleichsweise preiswert. Duanel Jones verlor zwar seinen Vertrag mit den San Francisco Giants, der ihm als hoch gehandelten jungen Third Baseman 1,3 Millionen Dollar garantierte. Aber die 50 Spieltage Sperre kann er gemütlich absitzen, sobald ihm ein neues Team eine Vereinbarung offeriert. Als Free Agent kann er mit jedem Club verhandeln. Jones kommt aus der Dominikanischen Republik, dem Land, aus dem sich Alex Rodriguez jahrelang die Anabolika besorgte.

• Wer weiß, ob er solche Anwandlungen wie sein Altersgenosse Brett Favre bekommt, der einfach nicht aufhören will und letzten Sonntag mit Minnesota nur knapp vor dem Einzug in den Super Bowl abgefangen wurde? Aber vielleicht tritt er endgültig ab? Von Kurt Warner ist die Rede, der von der Nachrichtenagentur Reuters zum Abschied mit dem Attribut "brilliant" ausgestattet wurde. Bilanz: so viele Super-Bowl-Erfolge wie Favre (einen mit den St. Louis Rams, aber mehr Auftritte im Finale – nämlich zwei weitere, einer mit den Rams und einer im letzten Jahr mit den Arizona Cardinals).

• Der Präsident der Vereinigten Staaten als Aushilfs-Fernsehkommentator beim College-Basketball mit Verne Lundquist, einem der besten der Branche. Auf dem Spielfeld Duke und Georgetown in einem Match in Washington, zu dem Barack Obama nicht weit fahren musste.
Jemand am Resultat des Spiels interessiert? 89:77 für die Hoyas. Coach K hatte seine Republikaner-Fahne wohl freiwillig vorher eingerollt.

"Das Elend der Gladiatoren"

Ein kurzer Programmhinweis in eigener Sache. Am Montag gleich nach den Tagesthemen im Ersten gibt es auf WDR 3 wie jeden Montag die Sendung sport inside (Sendebeginn 22.45 Uhr) – wie meistens mit drei Beiträgen. Diesmal allerdings mit einer Novität: mit einem Film aus meiner Werkstatt. Titel: Das Elend der Gladiatoren.

In dem fast zehn Minuten langen Film geht um die Spätfolgen, mit denen ehemalige amerikanische Football-Profis zu kämpfen haben – ein Thema, auf das ich durch den Dokumentarfilm Blood Equity zum ersten Mal aufmerksam wurde, das inzwischen aber ziemliche Kreise gezogen hat. Kein Wunder. Es geht um rund 13.000 Ehemalige, für deren durch den Football verursachten Probleme sich weder die Liga noch – sehr viel tragischer – die Spielergewerkschaft verantwortlich fühlen. Viele Veteranen werden nicht nur körperlich von der Knochenmühle verschlissen. Eine beachtliche Zahl entwickelt als Folge von allzuvielen Gehirnerschütterungen früh Demens und Alzheimer-Krankheit (eine Studie spricht von sechs Prozent). Wer medizinische Hilfe oder gar Pflege braucht, braucht auch Geld. Denn vom amerikanischen Krankenversicherungssystem werden solche Menschen ignoriert.

Der Beitrag dokumentiert – eine Woche vor dem Super Bowl, der von der ARD live übertragen wird – den Stand der Dinge sowie den langsamen Umdenkprozess, zu dem beachtlicher Druck aus dem amerikanischen Kongress beigetragen hat. Der Film entstand im Laufe des Januar und wurde in der letzten Woche beim WDR in Dortmund fertiggestellt. Mehr Informationen gibt es hier.

Aufgrund der Arbeit an dem Projekt kam das Bloggen zuletzt ziemlich kurz. Vorsatz: Das soll nicht so bleiben. Ab heute gibt es wieder frischen Lesestoff.

27. Januar 2010

Das kommt vom Fliegen

Der von vielen Rechtstreitigkeiten geprägte Wettbewerb um den America's Cup geht in seine letzte Phase. Ab dem 8. Februar in Valencia soll tatsächlich gesegelt werden. Wobei sich beim Wort "Segeln" inzwischen eher an den Flugzeugbau erinnert fühlt. Denn nach einem Mastbruch vor einigen Wochen soll der Trimaran von BMW Oracle Racing jetzt nicht mit einem Segel, sondern mit einem riesigen hochgestellten Flügel ins Rennen gehen. Die Innovation hat ihre Vorteile und ihre Nachteile. Das Boot bringt unter normalen Umständen mehr Fahrt. Es gibt aber auch Situationen, in denen es schwieriger wird: zum Beispiel bei sehr starkem Wind, wenn der Skipper normalerweise einen Teil des Tuchs einholen würde. Kevlar ist das Material. Justiert wird mit motorgetriebener Mechanik. Gut vorstellbar, dass man sich irgendwann das Bauen solcher Objekte schenkt und Boote aus aller Welt einfach nur noch im Designcomputer gegeneinander antreten lässt. Die Übertragungszeiten bei Eurosport:

23. Januar 2010

Ein aufgepumpter Feigling

Mark McGwire hat neulich versucht, sein Dopinggeständnis mit einem netten Aperçu zu dekorieren. "Mir hat man das Geschenk gegeben, Home Runs zu erzielen", sagte er Interviewer Bob Costas. "Anabole Steroide habe ich nur aus gesundheitlichen Gründen genommen." Mit anderen Worten: Ja, er hatte sich aufgepumpt. Aber nein, seine Leistung auf dem Spielfeld wurde dadurch nicht beeinflusst. Jetzt hat der Doping-Lieferant der ersten Jahre in einem Interview erklärt, dass er solch eine Darstellung einfach nur lächerlich findet. Der Cocktail aus Testosteron und Anabolika, den sich McGwire gespritzt hat, diente nur einem Zweck: "größer, schneller, schneller" zu werden. So schnell kommt also jemand vom Regen, in dem er in den letzten Jahren stand, in die Traufe. Von einer Lüge und Beschwichtigung zu einer nächsten (abgeschwächten) Lüge und Beschwichtigung. Eigentlich seltsam, dass jemand, dem man eine offene und freundliche Art nachsagt, derart planvoll und ängstlich mit der Wahrheit hantiert. Sein weinerlicher Auftritt vor dem Kongress unter Eid war demnach tatsächlich der Blick in die Seele dieses Menschen. Schon damals hatte er nicht den Mumm, endlich die Hosen herunterzulassen und beschimpfte stattdessen seinen Ex-Freund Jose Canseco, dessen Buch die Washingtoner Abgeordneten auf den Plan gerufen hatte. Was ihn damals zu solchen Scheingefechten führte, gab er inzwischen zu: Er hatte Angst, dass ihn ein Staatsanwalt anklagt, weil die Verjährungsfrist für seinen Drogenmissbrauch noch nicht abgelaufen war. Sein Anwalt versuchte damals, mit dem Kongress-Ausschuss Straffreiheit im Tausch für ein offenes Wort auszuhandeln. Das Privileg wurde ihm damals nicht gewährt. Gut so, sonst hätte McGwire damals noch sein Image günstig aufpoliert. Statt dessen wissen wir nun, was er wirklich ist: ein aufgepumpter Feigling.
Blick zurück: Der mutmaßliche Grund für das Geständnis jetzt

21. Januar 2010

Der Klingelbeutel: Nicht alles im Griff

Die Ambitionen von David Beckham, sich über den Winter in Mailand für die englische WM-Mannschaft zu empfehlen, produzieren immer wieder ein paar widrige Nachrichten. In der vergangenen Saison gab es das Tauziehen über seine Rückkehr zu Los Angeles Galaxy. Das wurde beigelegt. Nun musste er sich von einer Italienerin fürs Fernsehen das Gemächt begrapschen lassen. Warum? Weil sich aufgrund der Emporio-Armani-Unterwäsche-Anzeigen und eines (mutmaßlich getürkten) Nacktfotos, das online kursiert, das Gerücht hält, Becks habe schwer zu tragen. Die Dame brüllte vor laufender Kamera: Das sei alles nicht halb so wild. Der Fußballer war über solch eine Attacke entsetzt und stürmte davon.

• Nichts Genaues weiß man nicht, aber das kann sich noch ändern: Nachdem die NBA als erste US-Liga die Vermarktugsmöglichkeiten in anderen Erdteilen entdeckte und die NFL nach einer Reihe von gescheiterten Experimenten den Pflichtspiel-Abstecher nach London installierte und die NHL ihre Fühler nach Europa ausstreckte und nun vor Beginn der Saison zwei Teams schickt, sucht Major League Baseball noch immer nach einer eigenen Lösung für ein Schaufenster zur Welt. Was schwierig ist angesichts der Großwetterlage. Mittelamerika und Venezuela sowie Japan im fernen Asien sind die einzigen Länder, in denen man wirklich Widerhall erzielen kann. Nun wurde eine alljährliche Begegnung zwischen dem amerikanischen World-Series-Sieger und dem japanichen Meister ins Gespräch gebracht. Da man die "Welt" bereits in den USA intern als Namensgeber gepachtet hat, dürfte es vor allem an der passenden Bezeichnung hapern. Unter "global" oder "Universum" dürfte es nicht abgehen.

• Der Stanley Cup ist viel unterwegs. Denn jedes Mannschaftsmitglied des Siegerteams kann den riesigen Pott einen Tag bei sich zuhause vorzeigen. Egal, in welchem Land zuhause ist. Manchmal wird das Ding aber auch falsch verladen und landet dann am falschen Ort. So wie jetzt, als der Transport von Newark nach Vancouver gehen sollte. Ausgeladen wurde der Cup in Toronto. Was irgendwie verständlich ist. Denn dort ist die Hall of Fame. Und die ist sein zuhause (via The Big Lead).

17. Januar 2010

Die Luxus-Suite und der Scrabble-Haufen

Vier Spiele und nur eines davon war halbwegs spannend. Leider war das mehr ein Punt-Festival und eine Ansammlung von unsinnigen Penalties und die Implosion eines Kickers, der in der laufenden Saison eine formidable Präzision an den Tag gelegt hatte, aber heute aus dem Tritt kam. Mit anderen Worten: Die NFL dokumentiert gegen Mitte der Playoffs eine Zweiklassen-Gesellschaft von krassem Zuschnitt: Die New Orleans Saints, die Minnesota Vikings und die Indianapolis Colts repräsentieren die Luxus-Suite. Der Rest wirkt wie ein Haufen zusammengeschüttete Scrabble-Buchstaben, aus dem man so gut wie keine vernünftigen Wahrheiten herausschnitzen kann. Die drei Top-Teams hingegen lassen sich leicht beschreiben: Rund um die hervorragenden Quarterbacks existieren quicklebendige, ideenreiche und zielstrebige Spieler. Die Defensivformationen sind unglaublich schnell zu Fuß unterwegs und kaltblütig.

Und was ist mit den New York Jets, die im letzten Spiel der Divisional Playoff-Runde in San Diego die Chargers demontierten? Die konnten echt froh sein, dass ihnen die Chargers einen Teil der schweren Arbeit abgenommen haben. Die Jets brauchten bis kurz vor Ende der ersten Halbzeit, um ihren allerersten First Down zu erzielen. Der entscheidende Touchdown entsprang einer Interception in der Nähe der Chargers-Endzone – in der Wirkung gedoppelt durch ein albernes Head-Butt-Foul, durch das die Jets noch ein paar wichtige Yards näher ans Ziel heranrücken durften. Und selbst danach hätte es San Diego zumindest in die Verlängerung schaffen können. Aber Kicker Nate Keading hatte heute einen tiefdunklen Tag. Er verschoss im entscheidenden Augenblick aus harmloser Distanz auf trockenem Rasen und ohne irgendwelchen Wind. Vermutlich werden die Jets den Colts in einer Woche das Leben schwer machen. New York hat zwar eine beeindruckende Defensive. Aber selbst wenn die Offensive 17 Punkte gegen die Colts schaffen sollte wie heute gegen die Chargers, wird das nicht reichen. Und viel mehr sind nicht drin.

Allerdings wird einem angesichts der Jets die Football-Saison wenigstens einigermaßen schmackhaft. Denn die straften die sogenannten Fachleute Lügen, von denen sage und schreibe vier im Studio der übertragenden Network CBS herumsitzen (auch Fox hat vier dieser Bauchredner im Einsatz). Alle vier erklärten die San Diego Chargers vor der Begegnung zum Sieger. Und alle vier werden wir nächste Woche wiedersehen (Colts gegen die Jets). Solche Leute werden einfach nicht entlassen.

Das Spiel der Woche wird allerdings auf Fox laufen. Mehr als 100 Oktan stecken in der NFC Championship-Begegnung zwischen den Vikings und den Saints im Tank. Die Auseinandersetzung im Superdome in New Orleans ist ein Sahneklecks auf zehn Jahre einer Evolution des Spiels zu einer ungemein schnellen und (vor allem auch) reaktionsschnellen Angelegenheit. Eine Spielkultur, die wirkt wie herausgemeißelt aus den Köpfen genialer Videospiel-Designer, die den Mut hatten, sich Spielzüge auszumalen, bei denen Quarterbacks zentimetergenaue Pässe werfen. Diese NFL sieht neuerdings wie eine Versammlung von Feinmechanikern aus. Gut, dass man das alles inzwischen auf HD serviert bekommt.

15. Januar 2010

Agent Zero geht mindestens sechs Monate ins Gefängnis

Gilbert Arenas wird ins Gefängnis gehen müssen. Das ist die Konsequenz eines Schuldgeständnisses, das er am Freitag vor Gericht in Washington abgelegt hat. Zum Strafmaß wird noch spekuliert. Aber unter sechs Monaten Freiheitszentzug gibt's für diese Verstöße gegen das Waffengesetz nichts. Das ist die Unterkante. Täter in schwereren Fällen erhalten bis zu fünf Jahren. Die nächste Frage: Werden sich die Wizards auf den Rahmentarifvertrag berufen und den mit insgesamt 111 Millionen Dollar bestens dotierten Vertrag aufkündigen? Ein Experte in einem Online-Chat der Washington Post wusste zu diesem Thema zumindest so viel: "Obwohl der Text auf Arenas Handlungsweise anwendbar scheint, hat noch keine Mannschaft die Klausel 16 [des Vertrags] erfolgreich umsetzen können. Zwei kleine Beispiele: Die Warriores habe das mit Latrell Srrewell versucht, nachdem er seinen Trainer gewürgt hatte. Ein Schiedsgericht entschied, dass das Verhalten war schrecklich sei, aber nicht notwendigerweise schwer genug, um seinen Vertrag aufzulösen. Das andere Beispiel war Vin Baker und die Celtics. Die Celtics haben ihm am Ende zu einem Buyout überredet, bei dem er ungefähr die Hälfte des Geldes erhielt, das ihm andernfalls im Rahmen seines Vertrages zustand. "

Der Klingbeutel: Kugeldumm

Ein sehr ordentliches Stück Journalismus am Rand des Sportgeschehens kann man seit heute auf der Seite des amerikanischen GQ lesen (The Dirtiest Player geschrieben von Jason Fagone). ESPN hat gleich nachgelegt. Mit dem Interview des Mannes, der den ehemaligen Football-Profi Marvin Harrison (Indianapolis Colts) beschuldigt hatte, auf ihn geschossen zu haben. Mit einem Mann, der nicht mehr lebt, weil er ebenfalls erschossen wurde. Schauplatz der Geschichte, eines der schlimmeren Viertel von Philadelphia. Nebenschauplatz: Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Sache bisher allzu unmotiviert vorangetrieben. Jetzt wird womöglich das FBI mit einsteigen. Für Harrison sieht es nicht gut aus. Denn seine bisherigen Aussagen beim Verhör passen einfach nicht zusammen. Und eine Pistole, die ihm gehört, konnte mit Hilfe der Ballistik als ein Tatwerkzeug identifziert werden. Natürlich bestreitet Harrison, geschossen zu haben. Aber das heißt ja nicht, dass er es nicht trotzdem getan hat.

• Ein paar Kilometer weiter südlich hat die Staatsanwaltschaft hingegen reagiert. Und das obwohl keine Kugeln gefeuert wurden. Und obwohl niemand zu schaden kam. Die strengen Waffengesetze in Washington D.C. machen's möglich. Über dem Kopf von Gilbert Arenas hängt damit das Damokles-Schwert einer Gefängnisstrafe. Der erste Termin im Rahmen des Strafverfahrens steht für den heutigen Freitag an.

13. Januar 2010

Agent Zero hat nichts mehr zu lachen

Mit ein bisschen Verspätung. Dafür etwas gründlicher: Die Causa Gilbert Arenas, der nach einem ironisch gemeinten Auftritt neulich vor einem Spiel der Washington Wizards auf unbestimmte Zeit von NBA Commissioner David Stern gesperrt wurde. Der Artikel in der FAZ geht auch auf den Spannungszustand zwischen dem antiautoritären Aufbegehren junger Sportler ein, die sich über die Konsequenzen ihres Tuns nicht im Klaren sind, und einem paternalistischen Groß-Wesir, der nervös über alles wacht, was dem sauberen Image der Liga schaden könnte. Die Liste dessen, was in der NBA alles nicht erlaubt ist, ist ellenlang. Allerdings gehört auch das Waffentragen in einer Halle (oder im Mannschaftsbus) dazu. So steht es im Tarifvertrag, den sich die Spieler vermutlich nur selten genau genug anschauen. Sehr zu empfehlen zum selben Thema: Die ausführliche Kritik an Stern, die Tom Scocca in Slate formuliert. Untertitel: "Weshalb sich David Stern schlimmer benimmt als Gilbert Arenas". Kernaussage: "Waffengewalt ist ernst. Aber Gilbert Arenas ist nicht Waffengewalt. Wenn die letzten Berichte stimmen, war er unbewaffnet, der jemand anderem vorschlug, er könne ihn mit einer ungeladenen Waffe erschießen. Das war dumm und möglicherweise ein Verstoß gegen die Gesetze, aber nicht besonders gangsta. Wenn es um das Image der Liga geht, sollte sich der Commissioner weniger Sorgen über Ron Artest und mehr über Tim Donaghy Sorgen machen. Falls Arenas die Integrität der NBA bedroht, dann nicht durch seine Handfeuerwaffen, sondern weil er zu einer Gruppe von Stars gehört, deren Hang zum Wetten und zum Glücksspiel außer Kontrolle geraten ist."

Blick zurück: Arenas und seine Pistolen

12. Januar 2010

Patriots im Tief – aber vermutlich nicht lange

Baltimore Ravens v New England Patriots - Wild Card Round
Wenn eine Mannschaft wie die New England Patriots von dem strikten Regime der Salary Cap in der NFL in die Mangel genommen wird, dann kommt irgendwann der Tag, an dem man die Auswirkungen mit Händen greifen kann: Raus in der ersten Playoff-Runde, ohne die Spur einer Chance. Ein Team von dieser Güteklasse mit drei Super-Bowl-Erfolgen und einer weiteren Super-Bowl-Teilnahme kann man nämlich nicht ewig zusammenhalten. Genauso wie man nicht den alten Trainerstab bezahlen kann, wenn von anderen Clubs lukrative Angebote an die Assistenten eintreffen. Angebote mit dem hochdekorierten und bestens bezahlten Posten des Head Coach.

Trotz des ständigen Talentabflusses hat der ewige Griesgram Bill Belichick seinen Laden auf erstaunliche Weise jahrelang in Schuss gehalten. In manchen Phasen generierte er die Überlegenheit aus klugem und genau getaktetem Tun, vor allem in der Defensive. Dann griff er nach Spielern, die woanders als untrainierbare Diven in die Ecke gestellt worden waren und nicht halb so viel kosteten, wie sie in seinem gut geölten Spielschema wert waren (man denke an Randy Moss 2007 für einen Viert-Runden-Draftplatz oder an Corey Dillon für einen Zweit-Runden-Pick 2004 oder auch an Wes Welker, der 2007 aus Miami kam und sich seitdem auf Platz eins der Wide Receiver in der Liga in der Kategorie Receptions vorgearbeitet hat).

Und dann waren da noch jene couragierten und konsequenten Entscheidungen gegen den Strich eines konventionellen Football-Wissens. Man kann mit dem Namen Tom Brady das eine Ende der Zeitachse markieren. Und mit dem Namen von Sebastian Vollmer das andere Ende. Niemand gab nur einen Rattenschiss auf Vollmer, als vor ein paar Monaten die Draft anstand. Und niemand, der das Team und den Trainer einigermaßen zu kennen glaubte, konnte sich ausmalen, was Belichick an dem relativ unbeschriebenen deutschen Blatt gesehen hatte. Die Saison der Patriots ging am Sonntag in der kalten Brise des Gillette Stadium zu Ende. Vollmer war die Offenbarung schlechthin. Er spielte absolut fehlerfrei, ließ keinen Ravens-Spieler an sich vorbei und zeigte nach einem von Baltimore abgefangenen Brady-Wurf, dass er im Falle einer Interception nicht den Stecker aus dem mentalen Stromnetz zieht. Er war einer der beiden Tackler, der sich lang machte und sich dem Gegner entgegenwarf, um das Schlimmste zu verhindern.

Ein Vollmer ist natürlich nicht genug. Schon gar nicht an einem Tag, an dem man mindestens zwei gebraucht hätte. Und obendrein einen motivierten Randy Moss, einen gesunden Wes Welker und einen Tight End, der besser blockt. Aber warum sollte Belichick nicht im Frühjahr den einen oder anderen Nachwuchsspieler von Format aus dem Topf ziehen? Wieder mal scheinen die Patriots vorbereitet – auch auf dieses zwangsläufige Formtief einer unabwendbaren zyklischen Entwicklung – mit dem die Buffalo Bills, die Detroit Lions, die Kansas City Chiefs und andere nicht umgehen können. Sie haben für die beiden kommenden Jahre eine ganze Reihe von guten Draftplätzen gehortet. 2010 sind dies zwei zusätzliche Picks in der zweiten Runde. 2011 ist es ein zusätzlicher Pick in der ersten Runde und zwar der von den Oakland Raiders, die noch immer schlecht genug sind, um daraus einen Spitzenplatz werden zu lassen.

Ehemalige Belichick-Assistenten, die sich woanders den Chefposten sichern konnten und die beim letzten Super-Bowl-Erfolg der Patriots 2004 noch zu Belichicks Stab gehörten, wirken nachträglich weniger als Aderlass, wie man das annehmen durfte. Unterm Strich: Alle vier haben ohne Belichick nichts für ihren Ruf tun können. Nur ihr Bankkonto sieht inzwischen sehr viel besser aus.

• Romeo Crennel, vier Jahre bei Cleveland Browns – kein einziges Mal in den Playoffs. Im letzten Jahr entlassen und ersetzt durch

• Eric Mangini, der vorher die New York Jets trainiert hatte, die ohne ihn endlich wieder in Fahrt gekommen sind und am Wochenende gegen die San Diego Chargers spielen.

• Charlie Weis wurde soeben nach vier Jahren in Notre Dame entlassen, nachdem er kein besonders gutes Bild abgegeben hatte. Was nicht an seiner Leibesfülle lag.

• Josh McDaniels, der zu Beginn der laufenden Saison die Denver Broncos übernahm und nach einem Blitzstart aus dem Ruder laufen ließ.

Noch ein paar Namen aus der Zeit, als Belichick in Cleveland amtierte: Dort hatte er Rex Ryan als Linebacker-Coach, jetzt hauptverantwortlich für das Defensivmonster in Grün besser bekannt als New York Jets. Dazu: Jim Schwartz (Detroit Lions) und die College-Cheftrainer Nick Saban (Alabama), Kirk Ferentz (Iowa), Pat Hill (Fresno State) and Al Groh (Virginia).

Es wird ernst: Deutsche Ryder-Cup-Bewerbung gegen starke Konkurrenz

In ein paar Tagen wird sich herausstellen, ob die deutsche Bewerbung für den Ryder-Cup 2018 gut genug war. Oder ob die Konkurrenz aus Ländern wie Frankreich und Schweden die besseren Offerte vorgelegt haben. Für die deutsche Bewerbung spricht einiges: Man schickt Bernhard Langer als treibende Kraft ins Rennen. Der Mann hat als Spieler und als Captain eine beeindruckende Bilanz in dem alle zwei Jahre stattfindenden Kontinental-Wettkampf aufzuweisen. Mit Martin Kaymer dürfte das Land auch noch in den nächsten Jahren wieder einen Publikumsmagneten haben, der sich für das Cup-Team qualifizieren kann. Zum ersten Mal sollte ihm das in diesem Jahr bei der Neuauflage in Wales gelingen. Außerdem lassen sich in Deutschland rund ums Golfspiel lukrative Sponsoren auftreiben, vor allem aus dem Kreis der darunter die Großbanken und die Autofirmen. Die großen Fragezeichen sind der Platz und die Infrastruktur. In den Wettbewerb wird dieses Gelände in Neuburg an der Donau geschickt. Offensichtlich kamen existierende Clubanlagen wie der hervorragende von Nick Faldo entworfene Links Course in Bad Saarow im Umfeld von Berlin nicht in Frage. Der Parcours selbst müsste noch baulich angepasst und ausgebaut werden, was der hochgelobte Architekt Thomas Himmel übernehmen wird.

Der amerikanische Golf-Autor Gary Van Sickle spottet übrigens über das Auswahlverfahren und zitiert einen Artikel aus Golfweek. Er sagt: Man sollte es eine Auktion nennen. Der Ryder-Cup stehe bei solchen Gelegenheiten schlichtweg zum Verkauf.

Der Wettkampf fand bislang nur in den USA und auf den britischen Inseln statt. Ausnahme: der Abstecher 1997 ins spanische Valderrama. Traditionell standen sich beim Ryder-Cup nur Spieler aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien gegenüber. Das Kontingent wurde in den siebziger Jahren auf Teilnehmer aus ganz Europa ausgedehnt, um der Dominanz der Amerikaner ein Gleichgewicht entgegenzustellen. Seitdem führten die Europäer die US-Golfer regelmäßig vor. Selbst der Weltranglistenerste Tiger Woods wirkte im Matchplay-Format besiegbar. Geht man nach Ländern außerhalb der britischen Inseln mit dem stärksten Nachschub an Talenten wäre sicher Schweden der attraktivste Kandidat für die Ausrichtung des 2018-Wettkampfs. Ob sie und die Holländer oder Portugiesen, die sich ebenfalls bewerben, beim Thema Geld mithalten können, muss man bezweifeln. Bleiben also allenfalls die Franzosen als ernsthafter Aspirant.

Nachtrag: Artikel von Wolfgang Scheffler auf faz.net

McGwires Doping-Geständnis – ein Flashback

Übrigens: Falls sich jemand fragt, weshalb Mark McGwire nach so vielen Jahren den Mund aufmacht und zugibt, was er im Grunde nie bestritten, sondern immer nur pflaumenweich umschifft hatte. Dies wäre eine Spur: Sein Bruder Jay, mit dem er schon jahrelang keinen Kontakt mehr hat, wird nach Angaben von Amazon in ein paar Tagen mit einem Buch auf den Markt kommen, dass das Doping-Thema Schwarz auf Weiß belegt. Jay hatte eigenen Angaben zufolge einst als Bodybuilder und Fitnesstrainer den Baseball-Bruder mit Anabolika bekannt gemacht und ihm wohl auch die ersten Spritzen verpasst. McGwire wollte vermutlich den neuerlichen Anschuldigungen (die alten kamen konkret von seinem ehemaligen Mannschaftskameraden Jose Canseco) den Wind aus den Segeln nehmen. Trotzdem hat er mit dem späten Eingeständnis aus heiterem Himmel gestern keine Sympathiepunkte gesammelt. Der Tenor vor allem unter anderen ehemaligen Spielern, ist eindeutig: Die Leistungen von Leuten wie McGwire haben in dem statistikversessenen Spiel natürlich ihre eigenen Werte schlechter aussehen lassen. Wer weiß, wer alles in jener Zeit als Trainer oder redlicher Spieler seinen Job verloren hat, weil plötzlich die aufgepumpten Michelin-Männchen antraten und die Maßstäbe für Erfolg verschoben.

Mir ist in diesem Zusammenhang übrigens eine Episode aus dem Jahr 1998 wieder eingefallen, als ich für den Züricher Tages-Anzeiger zunächst über McGwire schrieb: "Zu seinem Aufbauprogramm gehören nicht nur Steaks und Hamburger, sondern ebenso die unter Amerikas Profis populäre Muskelsubstanz Kreatin und das testosteronfördernde Mittel Androstenedion, das ausser im Baseball und Basketball in fast allen Sportarten auf der Dopingliste steht." Wenige Tage später monierte ich die Art und Weise, wie man in den USA das Auslöschen des alten Rekords von Roger Maris gefeiert hatte: Mit einer Unterbrechung mitten im Spiel, in der McGwire ein Mikrofon in die Hand gedrückt bekam und eine Ansprache halten durfte. Parallel liefen damals auf der Anlage in Flushing Meadow die US Open im Tennis. Und die Schweizer Spielerin Martina Hingis wurde tatsächlich von den anwesenden Journalisten in der Pressekonferenz genötigt, zu diesem Baseball-Theater eine wohlwollende Stellungnahme abzugeben.

Ich charakterisierte diesen Vorgang als "krankes Wir-Gefühl". Das gefiel den Baseball-Fans in der Schweiz ganz und gar nicht. Und so findet man noch heute in den Archiven der Zeitung einen ärgerlichen Leserbrief mit pauschalen und völlig überzogenen Vorwürfen an meine Adresse.

Schwamm drüber. Es war natürlich krank. Und ein Symbol für all das, was an dem Massenwahnsinn des amerikanischen Sports bisweilen durchknallt. Ja, und Mark McGwire war gedopt. Seinen Ruf als Sportbetrüger zementierte er allerdings erst vor vier Jahren, als er bei einer Anhörung im Kongress in einem denkwürdigen Auftritt unter Eid wiederholt einer Antwort auf die zentrale Frage auswich. Ein Betrüger. Geständig, ja. Aber ein Mann ohne Mumm, der sich immer nur Sorgen um sich selbst machte, weil der Anabolika-Konsum gegen Gesetze verstoßen hatte und die Verjährungsfrist für seine Vergehen noch nicht abgelaufen war. So jemand wirkt im Jahr 2010 denn einfach nur wie eine Karikatur.

Die nächste Frage lautet: Wann wird Major League Baseball darüber nachdenken, die Rekorde aus der Anabolika-Zeit zu streichen? Mit jedem Geständnis der Top-Spieler wie zuletzt Alex Rodriguez fällt die Blase in sich zusammen. Aber wahrscheinlich darf man von Commissioner Bud Selig in der Richtung nichts erwarten. Amerikas nostalgisch angehauchte Sportart leistet sich im höchsten Amt einen Menschen, der aussieht wie einen Schluck Wasser in der Kurve.

5. Januar 2010

Nowitzki Statitzki

Mavericks vs. Blazers
Wenn man denn schon unbedingt muss und nicht anders kann und die Bedeutung eines Basketballspielers von den Leistungswerten aus der Statistik ableiten will, dann ist diese Betrachtung der NBA-Karriere von Dirk Nowitzki auf BallinEurope.com gar nicht so schlecht. Sie bemüht sich um Ausgewogenheit und zeigt, dass mit Pau Gasol bereits ein aussichtsreicher Kandidat für den Titel "bester Europäer aller Zeiten in der NBA" bereit steht. Noch allerdings geht dieses Premium-Siegel an den Deutschen.

Die vielen Referenzwerte, die da übrigens zu Rate gezogen werden - darunter der überbewertete Index von Herrn Hollinger, genannt Player Efficiency Rating (PER) – zeigen im Grunde nur eines: Genauso wie bei der klassischen Bewertung eines Spielers aus dem Bauch heraus sehr viele Kriterien zusammenkommen, die zusammen ein Bild ergeben, kann man auch mit Statistiken jeden Vorbehalt und jede Sympathie abstützen. Es kommt immer darauf an, was man wichtig findet. Interessanteste Beobachtung vom Geschehen in dieser Saison: Wenn Nowitzki für die Dallas Mavericks auf dem Platz steht, sorgt das Team für Vorsprung und Punktepuffer. Wenn er auf der Bank sitzt, laufen die Ersatzspieler dem Gegner jedes Mal nur hinterher. Die Mavericks brauchen offensichtlich stärkere Reserven, sonst fehlt ihnen in den Playoffs das gewisse Etwas.

4. Januar 2010

Eine Witz-Bolt-Geschichte

Keiner vermag zu sagen, ob man diese Herausforderung überhaupt ernst nehmen sollte oder nicht. Aber sie stand zunächst mal im Raum: Chris Johnson von den Tennesse Titans wollte gegen 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt aus Jamaika antreten, weil er sich eine Chance ausrechnet, ihn zu schlagen. Das Spektakel sollte Geld einspielen. Und dieses Geld soll an eine karitative Einrichtung gespendet werden. Der Witz-Bolt schien einem solchen Renntermin nicht abgeneigt gegenüberzustehen. Aber dann meldet sich doch noch der Verstand in Form seines Agenten. Der ließ ausrichten: "Usain verfolgt die NFL nicht aufmerksam und kennt die Spieler gar nicht. Er mag Fußball und Cricket. Aber was noch wichtiger ist: Er hat einen Zeitplan und einen Trainer, denen er folgt. Und es gibt keine Möglichkeit, dass wir solch ein Ereignis ausrichen würden."

Gut. Denn anders als so viele in dieser schnelllebigen Zeit seltsamer Sport-Schlagzeilen kann ich mich noch das hochgehypte Rennen zwischen dem Kanadier Donovan Bailey und dem Amerikaner Michael Johnson in Toronto erinnern. Ich bin eigens hingeflogen, um darüber zu berichten. Die Veranstaltung am 1. Juni 1997 brachte die beiden Olympiasieger von Atlanta über die 100 einerseits und die 200 und 400 Meter anderseits zusammen. Man einigte sich auf eine Strecke über 150 Meter. Heike Drechsler trat im Weitsprung im Vorprogramm auf.

Es war ein totaler Reinfall. Hier die Aufzeichnung des amerikanischen Fernsehens.

Nach dem Boom: In Arizona gegen die Golfplätze pleite

Tiger Woods ist nicht der einzige im Golfbusiness, der zur Zeit eine Krise durchläuft. In Arizona häufen sich die Probleme von Golfplatz-Eigentümern und Betreibern, weil man erstens in den Boom-Zeiten zuviele Plätze gebaut hat und zweitens die Leute immer weniger Geld für diese Form der Freizeitbetätigung haben oder übrig machen wollen. Das ist gut für Amateurspieler, die plötzlich zu Discount-Preisen auf guten Anlagen abschlagen können oder in Clubs aufteen können, zu denen sie sonst keinen Zutritt gehabt hätten, weil man die Spielflächen den Mitgliedern exklusiv überlassen wollte.

Ein Teil des Spiels läuft zur Zeit so: Wer mit seiner Clubanlage nicht profitabel wirtschaftet, meldet wegen der Schuldenlast Konkurs an. Im Rahmen der Insolvenzverfahren schnappen andere Investoren zu. Zu den Plätzen, die zuletzt unter den Hammer kamen gehören auch einige, an die ich mich ganz gut erinnere (unter anderem, weil sie ziemlich anspruchsvoll sind): darunter das Wigwam Resort außerhalb von Phoenix.

Besonders dramatisch scheint die Entwicklung bei abgeschlossenen Wohnanlagen, die in den letzten zwanzig Jahren Golfplätze in die Mitte pflanzten, um so die Bauplätze oder die Villen ringsherum zu höheren Preisen verkaufen zu können. Viele von denen sind in Gefahr, nicht mehr unterhalten zu werden. Die Natur bekommt zurück, was man aus ihr herausgebastelt hat.