Nicht jede Anhäufung von singularen artverwandten Sachverhalten ist gleich ein Trend. Denn das würde voraussetzen, das sich in den Köpfen der Entscheidungsträger jeweils ähnliche Gedanken abspielen. Was wiederum zwingend voraussetzen würde, dass sich in diesen Köpfen überhaupt etwas abspielt.
Aber auffällig ist das schon, dass man in der NFL neuerdings ganz gerne ziemlich junge Leute auf die Position des Head Coach beruft. Josh McDaniels in Denver und Raheem Morris in Tampa sind 32 Jahre alt. Lane Kiffin, der neulich ein unerfreuliches Intermezzo bei den Oakland Raiders erlebte und jetzt das Traditionsfootballprogramm an der University of Tennessee leitet, war 31, als er den Zuschlag bekam. Zur Jugendbewegung gehören fraglos Mike Tomlin von den Pittsburgh Steelers, der mit 34 den Job übernahm und ziemlich rasch danach einen Super-Bowl-Gewinner produzierte, und auch Eric Mangini, der ebenfalls mit 34 auf den Chef-Posten der New York Jets berufen wurde (inzwischen nach dem Misserfolg mit Brett Favre und dem Rauswurf in Cleveland unter Vertrag).
Die Sache ist deshalb interessant, weil wir gerade im Football und dort viel stärker als in anderen Mannschaftssportarten noch ziemlich alte Trainer in Lohn und Brot sehen. Da wurde zwischendurch Joe Gibbs in Washington wieder aus der Rente geholt (ein Mann in den Sechzigern). Da durfte Marv Levy bis in die Siebziger bei den Buffalo Bills arbeiten. Dick Vermeil hatte ein halbes Altersheim an Assistenten um sich versammelt, als mit den St. Louis Rams den Super Bowl gewann. Er selbst war damals 63. Don Shula war fast Mitte 60, als ich ihn nach einem Spiel der Miami Dolphins in New York fragte, ob er nicht bald ans Aufhören denkt. Er hat mich strafend angeschaut und erklärt: "Über so etwas denke ich nicht nach. "
Alter an und für sich ist irrelevant. Die Frage ist immer: Was bringen Head Coaches auf die Waagschale? Aber genau das lässt sich angesichts ständig wachsender Bataillone von Assistenten gar nicht mehr so genau sagen. Wir sehen sie zwar immer an der Seitenlinie herumhampeln, in ihre Mikrofone murmeln und auf die Referees einreden. Aber das ist nicht mal die Spitze des Eisbergs. Das sind nur jene kurzen Momentaufnahmen, in denen sich eine Spur der Persönlichkeitsstruktur der jeweiligen Person offenbart. Und die sagt sehr wenig über die Football-Intelligenz und den Erfolg der Managementleistung dieser Herren. Denn so viel ist klar: Es führen viele Wege nach Rom, nicht nur die, die die aggressiven Schreihälse so gerne beschreiten, wenn sie ihre Spieler herunterputzen und immer so tun, als säße die Macht, die sie ausüben, in ihren Stimmbändern und nicht zwei Handbreiten höher.
Profi-Football hat immer auch den Stil der stilleren Typen akzeptiert, die sich nicht als Zampanos inszenieren, sondern in Gesprächen vor und nach dem Spiel ihre Erkenntnisse vermitteln und die ihren Stab zu motivieren verstehen. Das liegt daran, dass die im Football ausentwickelte extreme Arbeitsteiligkeit – sowohl was die Spieler auf dem Platz betrifft als auch die die Arbeit der Trainer – einen Führungsstil verlangt, der einem modernen Unternehmen ähnelt. Die vielen Rädchen greifen nur dann synchron in einander, wenn konsequent kommuniziert wird. Profi-Football hat allerdings auch immer eine mönchische und asketische Hingabe der Trainer ans Analytische gefördert. Man schaut sich in diesem Job jeden Tag stundenlang auf Video aufgezeichnete Spielzüge von Gegnern und eigenen Formationen an, um darin Ansätze für neue Ideen zu finden. Das ist kein gesundes Arbeiten. Denn es befreit nicht, sondern blockiert die Synapsen mit tausenden von vorgefundenen Details. Und es lenkt ab von anderen Aufgaben.
Jüngere Trainer sind besonders in diesem Bereich im Vorteil, weil sie noch ohne viel Gepäck reisen und offener sind, wenn es ums Ausprobieren geht. Das heißt nicht, dass ihre Entscheidungen in kritischen Momenten profunder sind. Aber es bedeutet, dass die besseren unter ihnen der Spielkultur Impulse geben werden. Nehmen wir Bill Belichick, dem besten und prägendsten Coach der letzten Jahre. Der war mit Ende 30 noch zu feucht hinter den Ohren, um bei den damaligen Cleveland Browns (heute Baltimore Ravens) als Hauptveranwortlicher viel auszurichten. Aber wenige Jahre später hatte er in New England die Puzzlestückchen zusammen und zeigte in der entscheidenden Phase der Saison mit seinem Votum für den jungen Quarterback Tom Brady und gegen den erfahrenen Drew Bledsoe, dass er solchen Aspekten wie Alter und Erfahrung nur wenig beimisst.
Bei den Denver Broncos geht Belichick-Zögling Josh McDaniels zur Zeit offensichtlich einen anderen Weg. Er verunsichert erst mal seinen Quarterback Jay Cutler, der als Erstrunden-Pick anno 2006 vermutlich eher uneinsichtig auf Kritik an seinen Leistungen reagiert. In jenem Jahr wurden Matt Leinart und Vince Young vor ihm ausgewählt, die seitdem auf unterschiedliche Weise dokumentiert haben, dass es blendend auch ohne sie geht. Cutler auf der anderen Seite hat in den letzten beiden Spielzeiten hinreichend bewiesen, dass es mit ihm nicht geht. Kein Wunder, dass man ihm abgeben wollte. Die ersten Trade-Gespräche im Februar führten zu keinem Resultat. Jetzt ist Cutler sauer und will nicht mehr in Denver bleiben. Wir werden sehen, aus welchem Holz der junge McDaniels gebaut ist.
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