28. März 2009

Weinreich vs. DFB: So weit, so gut

Jens Weinreich hat es bereits vor einer Weile vermeldet, und einige Online-Medien haben nachgezogen: Der Rechtsstreit zwischen ihm und Theo Zwanziger und dem DFB ist beendet. Die unmittelbare Reaktion bei vielen Interessierten war, sich zu fragen: Wer hat gewonnen und wer hat verloren? Oder werten wir das Ganze als Remis?

Das ist die typische Betrachtungsweise von Kommentatoren vor allem im Fernsehen, wo man gerne gleich nach Ereignissen wie Wahlen alles auf einen einfachen Nenner zuspitzen will. Ich verstehe den Reflex, und doch finde ich ihn nicht besonders hilfreich. Schon gar nicht in diesem Fall, bei dem man sich Zeit nehmen sollte und mit den Details beschäftigen. Was ziemlich einfach ist. Denn Jens Weinreich hat sie ausführlich und mit der ihm eigenen konsequenten Transparenz auf seiner Webseite dargestellt.

Wer sich diese Details genauer anschaut, wird feststellen, dass Metaphern aus dem Fußball nicht annähernd wiedergeben, was im Rahmen der Auseinandersetzung passiert ist.

Ich darf also noch einmal daran erinnern, was Jens Weinreich erlebt hat (und wir durch ihn dank seiner Bloggeraktivitäten herausgefunden haben). Manches daran wird nicht neu klingen, weil ich es so oder so ähnlich schon einmal formuliert habe. Aber das bedeutet nicht, dass man bei dieser Gelegenheit darüber hinwegsehen sollte.

Zu den Kernerfahrungen gehört:

1. Man kann sich gegen ungerechtfertigte Angriffe eines mächtigen Verbandes sehr wohl zur Wehr setzen. Selbst gegen eine so massive Maschine im Machtkomplex des Sportgeschäfts wie den DFB, der offensichtlich zum ersten Mal ziemlich konsequent testen wollte, ob man und wie man einen einzelnen (freien) Journalisten effektiv platt machen kann. (Ich sehe deshalb gerade in dieser Passage der gemeinsamen Presseerklärung eine besondere Ironie. Wenn der DFB ausdrücklich erklärt, dass er "zu keinem Zeitpunkt [Weinreich] in seiner Arbeit als kritischer Sportjournalist behindern wollte", dann heißt das zumindest, das dieser Verdacht legitim war.)

2. Die Blogger-Öffentlichkeit spielt eine wachsende Rolle im Medienalltag, wozu auch die Setzung und das Durchsetzen von Themen gehört, die die Etablierten sonst ignorieren würden. Dieser Fall hat diesen Tatbestand ganz deutlich gemacht.

3. Kritische Haltung im Sportjournalismus gegenüber dem Gegenstand (und die dazugehörigen Informationen) sind Teil einer Dienstleistungsethik, die von einem ständig größer werdenden Publikum honoriert wird. Also wie beim sogenannten Kartoffeltheorem, das da lautet: „Nun sind die Kartoffeln da, nun werden sie auch gegessen“. So gibt der nicht ganz zuverlässige, aber zu Orientierungszwecken durchaus nützliche Zähler beim Blog-Sucher auf google.de mehrere tausend Fundstellen an, wenn man den Namen "Jens Weinreich" eingibt. Das sind Fundstellen, die dokumentieren, wie viele Menschen die Auseinandersetzung nicht nur wahrgenommen, sondern aufgegriffen und sich mit ihrem Publikum darüber ausgetauscht haben. Ich hoffe doch sehr, dass demnächst eine Doktorarbeit geschrieben wird, die diesen in die Tiefe und die Breite gegangenen Vorgang erfasst, beschreibt und auszählt.

4. Dieses Echo entspricht jener Stimmung, die Weinreichs Spendenaufruf produzierte: Fast tausend Spender und eine Summe, die zumindest seine Anwalts- und Gerichtskosten zu decken in der Lage war. Dieses Maß an ganz praktischer Solidarität gehört zu den neuen Stärken dieses ganz besonderen und sehr geschätzten Publikums. Da werden Umrisse einer funktionierenden Gegenöffentlichkeit erkennbar.

5. Aber auch das gehört zu den Erfahrungen: Als größte Überraschung empfinde ich die Reaktion (oder besser Nicht-Reaktion) auf den Vorgang aus dem Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS), der offensichtlich einen solchen Musterfall weder zum Anlass nimmt, intern die Lage der Berufsgruppe zu reflektieren noch weitergehende Lehren zieht. Zu den weitergehenden Lehren gehört nach meiner Ansicht unter anderem der Bedarf für einen Solidaritätsfonds, der in einer Organisation mit so vielen Mitgliedern aus Beiträgen finanziert werden könnte. Niemand erwartet, dass mit einem Fonds auch Nichtmitglieder (wie Weinreich oder ich – er ist ausgetreten, ich war nie drin) unterstützt werden. Aber was ist, wenn ein muckraker aus dem eigenen Verein in die Bredouille kommt? Sollte dem nicht ganz praktisch unter die Arme gegriffen werden? Wo doch die Stellenstreichungen grassieren und bald noch mehr Freie um ihre Existenz kämpfen...

6. So wie es in diesem Fall nie nur um Jens Weinreich und seine ganz persönliche Meinungsfreiheit gegangen ist, so geht es auch in anderen zukünftigen Auseinandersetzungen mit dem Machtkomplex Sport nie nur um den Einzelfall. So kann man bei der Attacke gegen die Hartplatzhelden eine ähnliche Tendenz erkennen. Diesmal argumentiert eine Nebenstelle des Kartells, das offiziell als steuerbefreiter eingetragener Verein daherkommt, mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Eine geschickte Zangenbewegung, die von zwei Gerichten akzeptiert wurde. Ich konnte inzwischen die OLG-Urteilsbegründung lesen und muss sagen: scary. Darin bezeichnet das Oberlandesgericht Stuttgart die Videoausschnitte von Amateurspielen, wie sie die Hartplatzhelden in ihrem Portal zeigen als "rechtswidrig entstandene Aufnahmen" und sieht keinen tiefgreifenden Unterschied zwischen Wettbewerb und unlauterem Wettbewerb.

Noch eine etwas persönlicher gefärbte Anmerkung: Ich habe eine Einigung zwischen Jens Weinreich und dem DFB schon vor mehreren Monaten für sinnvoll gehalten (und das im privaten Rahmen auch gesagt) und bin deshalb auch froh, dass es sie nun gibt (unabhängig von den Details der tatsächlichen Übereinkunft, denn es gibt immer das eine, was man will, und das andere, was man kann). Unsere Rolle als kritische Berichterstatter und unser Erfolg in der Sensibilisierung anderer für eine kritische Haltung gegenüber den Oligarchen im Sport zeigt sich vor allem in der Breite und nicht in der Spitze. Wenn ein einzelner Fall drei Jahre die Gerichte und die Öffentlichkeit beschäftigt, wirkt das mit ihm verbundene Thema im Laufe der Zeit nur noch kleinkariert. Leider. Aber wer wollte bezweifeln, dass es im auf schön und allgemeinwohlig machenden organisierten Fußball (und im Rest vom Sport) nicht noch mehr aufzuzeigen und zu kritisieren gibt.

Das wäre alles ganz anders, wenn die vorhandenen formaldemokratischen Strukturen das leisten würden, was sie leisten sollen: eine Kontrolle jener Leute, die sich bis ganz nach oben gehangelt haben und dort ihre persönlichen Interessen und den pompösen Gestus ihres Lebensstils durchsetzen. Aber das tun sie nicht.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man muss glaube ich Verständnis haben. Beim DFB versteht man unter "Journalisten" offensichtlich das, was man an Berichterstattern und Moderatoren in den öffentlich-rechtlichen Sendern erlebt. Nämlich speichelleckende Schoßhündchen, die sich von jedem noch so dreisten Fußballprofi/-trainer/-mangager die dümmsten Platitüden unterjubeln lassen, um dann artig nachzufragen, ob man dem verehrten Star vielleicht noch etwas tiefer in den Allerwertesten kriechen dürfte. Was uns hier in Sportschau, Sportstudio und noch schlimmer in den 3. Programmen geboten wird ist absolut ekelerregend.
DAS ist es aber, was der DFB gewohnt ist und wahrscheinlich kommt daher diese Reaktion, weil man kritischen Journalismus überhaupt nicht kennt!
Und der Journalistenverband würde ja wohl die Stars der Zunft brüskieren, würde man einen kritischen Journalisten (noch dazu einen Blogger, bäh) unterstützen. Denn damit könnte es ja offensichtlich werden, das aus den Reihen der Mitglieder, die im Fernsehen tätig sind, keinerlei kritischer Journalismus kommt, sondern nur Starkult.

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Das Fernsehen ist überall – auch in den USA - die Triebfeder einer unkritischen Darstellung des Sports. Das kann man bei Liveübertragungen ja sogar noch einigermaßen verstehen. Obwohl Rudi Michel einst sehr gut gezeigt hat, wie gut man seine Sympathien für das Spiel und eine bestimmte Mannschaft in dem Match, das man beschreibt, zurückfahren kann. Aber spätestens, wenn es um den Versuch von Analyse und Einordnung geht, sollten die Kollegen auf Distanz gehen. Tun sie natürlich nicht, weil sie wissen, dass das Medium selbst eine immanente Stärke hat: es kann im optimalen Fall eine erstaunliche Intimität produzieren und an den Zuschauer weiterreichen.

Aber genau das ist die Crux, wenn man eine journalistische Aufgabe hat. Dann muss man zeigen, dass man einen eigenen Standpunkt hat (und sei der auch "nur" ein neutraler Standpunkt) und sich abgrenzen. Das wirkt im Fernsehen eher störend.

Zum Problem wird die Fernsehleistung allerdings erst, wenn die Printkollegen das - ohne Not und unreflektiert - nachahmen. Dann wird das alles querbeet verstärkt.