Die Geschichte macht seit gestern unter deutschen Bloggern die Runde und kam hier durch den Kollegen nolookpass vom Nachspiel ins Visier. Ganz schlicht und einfach: Der Deutsche Olympische Sportbund, die Dachorganisation des deutschen Sports, zeigt auf ganz unsportliche Weise ihre Muskeln und schickt dem Saftblog im sächsischen Arnsdorf eine Abmahnung, die dem Vorgang einen Streitwert von 150 000 Euro zu Grunde legt.
Die Reaktionen kamen schnell und reichlich. Klein-Bloggersdorf ist eine ziemlich illustre Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die sich an diesem Fall so solidarisch erleben wie noch nie. Die Meinungsäußerungen kann nachlesen, wer den Links bei Nachspiel folgt. Alles in allem weniger eine Debatte als eine Art 1. Mai-Kundgebung von Völkern, die die Signale hören (sehen). Natürlich kommt der DOSB dabei extrem schlecht weg. Kein Wunder. Da trampelt ein öffentlich-rechtlich verankerter Goliath einen Mikro-David platt und tut so, als sei das sein gutes Recht.
Hier erst einmal der Hinweis auf eine sehr luzide Betrachtung von Don Dahlmann, in der zu allererst die Frage gestellt wird: Können sich Rechts-Riesen nicht angemessener verhalten? Eine gute Idee. Aber warum dort stehen bleiben? Es geht nicht um Takt. Es geht um Macht. Also hier ein paar Anmerkungen, die das Thema weiterentwickeln.
Denn mal abgesehen von dem massiven Echo auf die juristische Keule (17 Seiten soll der Abmahnbrief lang sein) und einem Rechtsanspruch, der sich offensichtlich auf ein Sondergesetz beruft, das aufgrund seiner seltsamen Absonderlichkeit gegenüber dem marken- und wettbewerbsrechtlichen Alltag womöglich gegen das Grundgesetz verstößt. Und abgesehen von ersten Stellungnahmen des DOSB-Pressesprechers, die danach klingen, als wolle man jetzt die Sache etwas anders anpacken - von Mensch zu Mensch: Eines fällt an den Beiträgen auf. Niemand reflektiert darüber, dass dies ein verdammt geschickter Schachzug der Organisation gewesen ist. Denn wenn der DOSB noch Blog-Einträge liest und verfolgt, die fast ein Jahr alt sind, dann wird sich jeder Blogger von jetzt ab dreimal überlegen, auf welche Weise er das Thema Olympische Spiele und die Illustration desselben anpackt. Mit fünf Ringen sicher nicht.
Die Vorgehensweise erinnert an die Attacken gegen junge Napster-Nutzer in den USA, die von der amerikanischen Musikindustrie hart angegangen wurden, um zwei Dinge zu erreichen: Öffentlichkeit für ihr Anliegen (mit dem sie sich an Ende höchstrichterlich durchsetzen konnten) und die Einschüchterung von Menschen, die Angst davor haben, dass sie mit ähnlichen teuren Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie weiter kostenlos runterladen.
In der Sache gibt es zumindest folgende Parallelen (während die zentralen Fragen völlig anders gelagert sind). In beiden Fällen gibt es Klärungsbedarf (hier: Was ist der Blog einer Firma, die Säfte verkauft - ein Werbemittel oder ein quasi-journalistischer Beitrag, der einer Firmenzeitschrift oder Produkten aus dem Sektor Corporate Publishing gleichgesetzt ist? Oder kann man das gar nicht trennen?) In beiden Fällen geht es um neue Kommunikationsformen (bei Napster: Peer-to-peer-Computernetze, hier: der bloggende Internet-Sektor, der privat scheint, aber im Prinzip mit der ganzen Welt vernetzt ist). Und in beiden Fällen geht es um das Problem: Was sollte, gesellschaftlich betrachtet, einen höheren Schutzrang einnehmen - die auf technologischer Entwicklung basierende Kommunikationskultur, die ein Segen für eine demokratische Gesellschaft ist? Oder die wirtschaftlichen Interessen von existierenden Großunternehmen, die etwa mit Erfolg einem Herrn Krupp seine Domain wegklagen können (ein Klassiker des Oligarchie-Naturschutzparks).
Vor 60 Jahren verstand man unter Vergesellschaftung eine Politik, die privaten Konzerninhabern in Kernindustrien ihre Macht wegnimmt und an ihre Stelle politisch verantwortungsbewusste, staatlich gelenkte Gremien setzt, die dem in Artikel 14 des Grundgesetzes beschriebenen Begriff des Gemeinwohls dienen. Längst sind die deutschen Kernwirtschaftszweige wie Kohle, Stahl, Strom, Chemie, Banken etc. nicht mehr so bedeutend (aus mehreren Gründen). Die Kommunikationsgesellschaft hat ein anderes Gesicht. In ihr sind Information, Meinungen, der Austausch von Ideen und Gedanken und die damit verbundenen Arbeitsplätze ein zentrales Gut und repräsentieren das Gemeinwohl wie kaum eine anderer Aspekt.
Es ist an der Zeit, diese Feststellung politisch mit Leben zu füllen und aufgrund der neuen Verhältnisse eine Vergesellschaftung ganz bestimmter zentraler Besitzansprüche zu fordern. Der Kampf mit dem DOSB und gegen das Olympiaschutzgesetz wären ein sehr guter Anfang. Und das beste daran ist: Man muss keine Räte oder Gremien schaffen. Man muss einfach nur die Fesseln und Knebel lösen.
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