Der Wechsel von Allen Iverson von den Philadephia 76ers zu den Denver Nuggets hat eigentlich nur eine Gewissheit geschaffen: Die ohnehin schon schwache Eastern Conference ist noch dürftiger, als bereits vor Wochen beklagt. Und die Western Conference bietet jetzt noch mehr Pep. Aber die viel wichtigere Frage bleibt weiterhin unbeantwortet: Haben die Denver Nuggets mit Carmelo Anthony, der dank seiner 15-Spiele-Sperre noch eine Weile zuschauen muss, und Iverson eine Mannschaft, die in den Playoffs gegen solche Teams wie die San Antonio Spurs, Phoenix Suns, Dallas Mavericks und auch die Utah Jazz etwas bewerkstelligen kann? Auf dem Papier sieht die Sache relativ vielversprechend aus. Nicht nur weil Meistermannschaften zwei überragende Spieler brauchen (einer alleine kann im Laufe des brutalen Playoff-Pensums nicht genügend Siege zusammenkratzen). Sondern weil Anthony und Iverson in dieser Saison die Scorer-Liste der Liga anführen (Anthony hat 31,6 Punkte pro Spiel, Iverson 30,6).
Wer hinter diese Zahlen zu blicken versucht und sich dabei die statistischen Analysefähigkeiten von Leuten wie die vom Blog The Wages of Win zu eigen macht, wird bereits bei der Betrachtung der Einzelleistungen zu einer sehr viel weniger euphorischen Einschätzung kommen. Beide Spieler brauchen (und verbrauchen) eine Unmenge von Versuchen, um diese Punktsummen zu erreichen. Mit anderen Worten: Sie mögen zwar in ihren Teams den Großteil der Punkte erzielen. Aber das heißt nur, dass das Spiel extrem stark auf sie zugeschnitten ist.
Bei Wages of Win hat man einen Weg gefunden, den Nutzwert solcher Einzeldarbietungen für den Erfolg einer Mannschaft statistisch herauszufiltern. Die Kennziffer nennt sich win score per minute und spiegelt sehr gut wieder, wie effizient ein Spieler während seiner Einsatzzeit auf dem Spielfeld war. Win score per minute basiert auf der Kernzahl namens win score, die sich folgendermaßen errechnet: Points plus Rebounds plus Steals plus die Hälfte der Blocks plus die Hälfte der Assists minus Zahl der Wurfversuche minus die Hälfte der Freiwurfversuche minus Ballverluste an den Gegner minus die Hälfte der perönlichen Fouls (die halben Werte entsprechen nach der Einschätzung von Statistik-Papst David Berri und seinen Co-Autoren einer realistischen Bewertung dieser Leistungsfaktoren bezogen auf den Ausgang eines Spiels). Der win score wird anschließend durch die Anzahl der gespielten Minuten geteilt, weil dies das genaueste Bild für den Vergleich unterschiedlicher Spieler ergibt.
Die interessante Erkenntnis aus dieser Betrachtung lautet: die Nuggets haben in Andre Miller einen effizienteren Spieler abgegeben (win score per minute über den Verlauf seiner Karriere: 0,176) und dafür einen schlechteren erhalten: Iversons win score per minute liegt bei 0,122, was schlechter ist als der Liga-Durchschnitt für Guards (0,128). Behalten haben sie Carmelo Anthony, der in den letzten beiden Jahren deutlicher besser geworden ist, aber in dieser Zeit auch nicht besser liegt als 0,169 (zum Vergleich: Michael Jordans Kennziffer bei all seinen Playoff-Auftritten lautet 0,255).
So weit die Zahlen. Nun zum Spielsystem, das man mit dem der stärksten Konkurrenz vergleichen muss, gegen die Denver in den Playoffs antreten muss. Kurioserweise hat die Mannschaft, die mal gerade auf Platz sieben der Playoff-Qualifikationsliste im Westen steht, einen sehr ostküstenlastigen Terminplan abgespielt und musste erst ein einziges Mal gegen die Topkonkurrenz aus dem Westen antreten (gegen Dallas). Dallas machte Anthony mit Doppel- und Dreifachdeckung das Leben schwer. Trotzdem ballerte er wie blöd, verfehlte aber meistens den Korb. Effizienz? Eher das Gegenteil.
Das Spiel und die anderen Resultate lassen den Schluss zu, dass das Team gegen Phoenix, San Antonio, die Lakers und Utah kaum Chancen haben dürfte und deshalb um einen Platz in den Playoffs bangen muss. Die Siege über schwache Ost-Teams werden nicht reichen.
Sollte nicht aber die Tatsache, dass man zwei schusskräftige Guards zur gleichen Zeit auf den Platz stellen kann, die Probleme lösen? Sicher, vorausgesetzt allerdings, dass der ballführende Spieler die Defensive auf sich zieht und dann einen klugen Pass fabriziert. Und dass dann der jeweils andere Spieler den Korbwurf nicht versemmelt. Falls doch, dies als Hinweis: die Spitzenmannschaften im Westen haben mit die besten Defensiv-Rebound-Statistiken in dieser Saison. Die freuen sich auf solche Gelegenheiten, um den Ball zu übernehmen und den eigenen Tempogegenstoß einzuleiten.
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