An einem Tag wie diesem möchte man wirklich nicht Jamie Trecker (Bild) sein. Denn wenn man zuerst den vermeintlich verbindlichen Scoop heraussemmelt, der besagt, dass der neue Trainer der eigenen Nationalmannschaft ganz gewiss und auf jeden Fall Jürgen Klinsmann heißen wird, weil einem das von Insidern brühwarm so zugesteckt wurde, dann steht man plötzlich ziemlich bekleckert und allein da. Trecker schreibt bei foxsports.com über Fußball. Das ist eigentlich eine unbefangene Aufgabe. Denn noch immer interessieren sich viel zu wenige Leser in den USA für das Themenfeld. Und so kann man schreiben, was man möchte, und muss sich keine Gedanken über Konkurrenzdruck und andere journalistische Konstellationen machen.
Aber wenn es um den Top-Trainer im Land geht - das ist dann doch von einem anderen Kaliber. Da muss man nicht nur Leute interviewen. Da muss man auch mal rechtzeitig herausfinden, ob das wohl stimmt, was man erzählt bekommt. Und wenn es sich als Falschmeldung herausstellt, muss man klein beigeben. Trecker probiert momentan noch die Methode, die die republikanische Regierung in Washington so gerne praktiziert ("Angriff auf das World Trade Center? Wie konnten wir dann denn vorher wissen? Vernichtungswaffen im Irak? Wie konnten wir denn wissen, dass sie keine haben? Bürgerkrieg auf Bagdads Strassen? Wie konnten wir denn wissen, dass sich die Sunnis und Shiiten nicht mögen?") Trecker behauptet: Alle hätten geschockt auf den Klinsmannschen Rückzug reagiert. GESCHOCKT. Hat da wirklich ein einsamer Mann aus Huntington Beach in einem einsamen Moment eine einsame Entscheidung getroffen? Oder haben all jene im Umfeld des Verbandes, die sich wünschten, dass Klinsmann kommt, einfach nur nicht richtig hingehört?
Die Kommentarspalte seines Blogs wird sich Trecker sicher nicht so gerne anschauen. Er habe als "Senior Soccer Writer" die "größte Geschichte des Jahrzehnts komplett falsch" berichtet, schimpfte einer. Seine Glaubwürdigkeit sei auf alle Zeiten kaputt. Ein anderer meinte: "Wenn dich FoxSoccer als Senior Soccer Writer behält, zeigt das einen Mangel an Hingabe zur Wahrheit" auf seiten seines Arbeitgebers. Mit anderen Worten: Der Kopf soll rollen.
Die gesamte Kommentarseite ist ein Besuch wert. Sie unterstreicht, wie und auf welchem Niveau man in den USA inzwischen mit dem Thema Fußball und dem Meinungsmedium Internet umgeht: schnell, ernsthaft und kompetent.
Mehr zum Thema Klinsmanns Rückzug auf faz.net. Der Artikel erscheint in der Samstagausgabe.
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