Es ist wirklich nicht so klug, sich mit Lance Armstrong anzulegen oder sich seinen Privatbesitz anzueignen. Der Heilige der Velo-Welt hat überall seine Freunde. Auch in Kreisen der Justiz. sonst wäre sicher nicht dieses Urteil zustande gekommen: Drei Jahre Gefängnis für den Mann, der vor ein paar Monaten in Kalifornien aus dem Astana-Lager Armstrongs Rad gestohlen hatte. Kein Schreibfehler: DREI Jahre Gefängnis.
Der Mann aus Texas hat trotz seines Comebacks viel Zeit. Neulich legte er sich per Leserbrief mit dem Wall Street Journal an und bestritt Aussagen, die ein Reporter über seine Rolle im Hintergrund eines Rechtsstreits zwischen Greg LeMond und dem Radhersteller Trek getroffen hatte. Wie immer, wenn er sich beschwert oder sich verteidigt, argumentierte Armstrong nicht besonders genau und faktenorientiert, sondern wie ein getroffener Hund mit Hirn, der hofft, dass die anderen Mitleid mit ihm haben, weil er bellt. Aber so kennen wir ihn – als großen Nebelwerfer vor dem Herrn. Beispiel aus dem Schrieb, den er auf seinem eigenen Blog komplett publizierte, nachdem sich die Zeitung weigerte, den ganzen Sermon ("generell gesprochen lag der Artikel auf vielen Ebenen unter einem Minimum an journalistischen Standards") zu publizieren.
Ein Beispiel für Armstrong und seine Verdrehungsmethode: "Wäre ich für Treks Verhalten verantwortlich, wäre ich in diesem Fall ein Beklagter; hätte ich mit böser Absicht seine Geschäftsaktivitäten behindert, wäre ich in diesem Fall ein Beklagter. Ich bin es nicht."
Das hatte die Zeitung aufgrund ihrer Recherchen geschrieben: "Die Zivilklage behauptet ebenfalls, dass Herr Armstrong mit böser Absicht andere Geschäftsaktivitäten von LeMond behindert hat."
Ehe wir das hier zu einem Seminar über die Kunst des Schreibens ausarten lassen: Das Blatt zitiert ein Rechercheergebnis. Armstrong zieht daraus seine eigene Schlussfolgerung, baut darauf eine Absurdität ("wäre ich in diesem Fall ein Beklagter") und bemüht sich auf diese Weise den Originaltext zu desavouieren. Armstrong ist nur deshalb kein Beklagter, weil LeMond ihn nicht vor den Kadi gezerrt hat. Das ist keine Frage der Rechtslogik, sondern eine der angewandten Rechtsmechanik. LeMond hat sich einfach ein anderes Ziel ausgesucht als den Mann, den er vor Monaten bei einer Pressekonferenz mit kritischen Fragen auf den Keks gegangen war.
Die Taktik von LeMonds Anwälten ist nicht schlecht. So versuchen sie, Armstrongs Ex-Frau Kristin im Rahmen des Vorverfahrens als Zeugin zu vernehmen. Sie soll beschwören, dass Lance einst bei einem Abendessen gesagt haben soll, er würde dafür sorgen, dass Trek LeMond in die Mangel nimmt. Die Radfirma stellte lange Jahre die Räder des dreifachen Tour-de-France-Siegers und ersten amerikanischen Radheroen her. Im letzten Jahr beendete sie die Geschäftsbeziehung vorfristig, offensichtlich weil LeMond erneut die alten Dopingvorwürfe an die Adresse von Armstrong aufgegriffen hatte. Trek ist auch Geschäftspartner von Armstrong, der wichtigsten Werbefigur des Unternehmens, und hatte einst LeMond abgenötigt, den Mund zu halten.
2 Kommentare:
Sie verkürzen die Geschichte mit dem Dieb und empören sich über drei Jahre Haft. Unerwähnt bleibt, daß der Dieb
- nicht nur ein Rad sondern drei Räder gestohlen hat.
- alleine das Rad von Armstrong immerhin ein Wert von 10.000 $ hat
- unter Bewährung stand
- schon zwei mal im Staatsgefängnis war (neben anderen Gefängnisaufenthalten)
- Ein umfangreiches Vorstrafenregister hatte
Wenn man solche Fakten betrachtet, verwundert ihre Interpretation doch sehr.
Ich gehe mal davon aus, dass die Strafe vor allem deshalb so hoch ist, weil die Aktion als Einbruchdiebstahl eingestuft wurde. Ein einfaches Mitnehmen eines Rades (also Diebstahl) kostet normalerweise weniger. Und natürlich hat der Mann ein Vorstrafenregister. Welcher Verbrecher hat das nicht? In seinem Bundesstaat kommt er übrigens, wenn er nach der Entlassung aus dem Gefängnis noch mal solch ein Ding dreht (egal wie schwerwiegend) für den Rest seines Lebens hinter Gittern ("three Strikes and you're out"). So drakonisch sind hier die Bräuche. Deshalb haben wir pro Kopf der Bevölkerung die meisten Insassen im Vergleich mit anderen Ländern (mehr als zwei Millionen Menschen), aber deswegen nicht weniger Kriminalität. Ich könnte auch noch sagen, was ich von dieser Gesellschaftspolitik halte, aber das lasse ich jetzt mal.
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