Sammy Sosa ist in Schwierigkeiten. Denn nachdem die New York Times gestern die begründete Vermutung publizierte, dass der Baseball-Profi 2003 genauso wie Alex Rodriguez bei anonym durchgeführten Dopingtests mit einem positiven Resultat erwischt wurde, interessiert sich der Kongress für ihn. Warum? In jenem legendären Hearing im Abgeordnetenhaus im Jahr 2005, als mehrere Spieler unter Eid aussagen mussten, hatte der ehemalige Home-Run-Held schlichtweg folgendes erklärt: “Ich habe mir nie etwas injiziert oder wurde von niemanden mit etwas injiziert. Ich habe weder die Gesetze der Vereinigten Staaten gebrochen noch die der Dominikanischen Republik [sein Heimatland]. Ich bin zuletzt 2004 getestet worden, und ich bin sauber." Des weiteren mimte er den Ausländer mit dem kräftigen spanischen Akzent, dem man verzeihen möge, dass er nicht alles richtig versteht und sich nicht in jedem Fall sehr gut ausdrücken kann.
Die Sätze klingen im Nachhinein ziemlich messerscharf gewählt. Vor allem dann, wenn sich Sosa statt per Spritze den Stoff oral verabreicht haben sollte, was man einst in der DDR hinreichend praktizierte. Dann hätte er nicht mal gelogen. Und die Feststellung, dass er keine Gesetze gebrochen habe, müsste man ihm als legitime Meinungsäußerung durchgehen lassen. Auch wenn der Besitz von nicht verordneten Anabolika in den USA damals strafbar war. Ein positives Testresultat aus dem Jahr 2003 wäre aber zumindest die Basis für den Vorwurf, dass er die Politiker unter Eid bewusst an der Nase herumgeführt haben könnte. In wie weit das justiziabel ist, wird man sehen.
In der Zwischenzeit sei die Lektüre dieser Kolumne von Rick Reilly anempfohlen, in der der ehemalige Sports-Illustrated-Autor beschreibt, wie er im Jahr 2002 Sosa in der Umkleidekabine ansprach und ihm anbot, mit ihm zu einem Labor zu gehen. Ziel: Herauszufinden, ob der Baseballprofi wirklich so sauber ist, wie er immer behauptet hatte. Was war an der Konfrontation so ungewöhnlich? Sosa hatte zuvor öffentlich posaunt, man könne ihn jeder Zeit testen. Reilly wurde jetzt noch einmal zu dieser Geschichte befragt, die damals viel Staub aufwirbelte.
2 Kommentare:
Das volle Zitat in der NYT lautet allerdings: “To be clear,” he added, “I have never taken illegal performance-enhancing drugs. I have never injected myself or had anyone inject me with anything.”
Er sagt also deutlich, dass er niemals illegale Leistungssteigerungspräparate zu sich nahmen - und zwar egal in welcher Form der Zuführung in den Körper. Erst im zweiten Satz spricht er auch die Injektion an.
Nach deutschen strafrechtlichen Maßstäben wäre damit die uneidliche Falschaussage/Meineid gegeben, sollte er doch Mittel zu sich genommen haben.
Im Übrigen darf ich - höchst unwissenschaftlich - hinzufügen, dass ich 1995 einmal Mark McGwire zufällig in St. Louis begegnet bin. Der Mann hatte Unterarme wie der meisten Leute Oberschenkel. Dass das nicht nur mit brutaler Schinderei im Fitnessstudio geht, erscheint (im Nachhinein) logisch.
Sosa hat damals unter Eid ausgesagt. Es handelt sich also im schlimmsten Fall sogar um einen Meineid. Er hat aber damals so getan, als spräche er nicht besonders gut Englisch. Und dieser Umstand würde ihm sicher zugute kommen. Denn anders als in einem regulären Rechtsverfahren, in dem man ihm bestimmt zu jedem einzelnen Wort seiner Aussage mehrfach abgefragt und nachgehakt hätte, um zu klären, ob er weiß, was er sagt (und einen Dolmetscher bereit hat), ist das damals nicht passiert. Die Abgeordneten sind in ihren Möglichkeiten schon rein zeitlich sehr beschränkt. Sie haben zehn Minuten, um ihre Fragen zu stellen. Viele haben auch nicht das Format eines Staatsanwaltes mit Erfahrung in Kreuzverhören. Im Gegenteil. Ich erinnere mich noch, wie einige ihre Fanhaltung und kindliche Verehrung für die Superstars des Baseballs raushängen ließen.
Plus: "niemals illegale" Mittel kann auch bedeuten, dass er einen Arzt hatte, der ihm Stoff verschrieben hat. Das wäre nicht illegal gewesen. Es wird interessant sein, ob man aus den Urinproben genau herausfiltern kann, was er 2003 genommen hat und auf welche Weise das Zeug normalerweise verabreicht wird.
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