Ist das eigentlich normal, dass ein Journalist, der zusammen mit einem bekannten Trainer ein Buch (links) geschrieben hat, als Berichterstatter eines Medienunternehmens wie ESPN fungiert, wenn exakt dieser Trainer in Schwierigkeiten ist? Falls es nicht normal sein sollte, müsste Pat Forde von seinem Auftraggeber aus der journalistischen Arbeit zum Thema Rick Pitino zurückgezogen werden. Was aber vermutlich nicht passieren wird, denn bei ESPN agiert man mit einem Verhaltenskodex, der selektiv das schöne auflackierte Imagebewusstsein pflegt.
Es macht den Leuten bei der Disney-Tochter offensichtlich nichts aus, dass die Nähe zwischen Subjekt (Autor, siehe Bild) und Objekt (Sportikone) zu einer heuchlerischen Sicht der Dinge führt. Was nicht nur schlecht ist, wenn man entscheidet, tagelang nicht über die Klage gegen einen NFL-Quarterback zu berichten oder andere negativen Nachrichten ignoriert. Es ist ganz besonders schlecht, wenn man einen narzistischen Maniac wie Rick Pitino deckt, der seitdem seine außerehelichen Aktivitäten publik wurden, so tut, als sei er das Opfer und nicht etwa ein ganz durchschnittlicher Trieb-Täter, der mal eben zwischendurch in Restaurants der Stadt Lousville wildfremde Frauen begattet.
Pitino, der vermutlich im Prozess gegen die mutmaßliche Erpresserin Karen Sypher (links in einem Screenshot von einem Interview mit Good Morning America von TV-Sender ABC) aussagen wird, aber bislang lieber den Mund gehalten hatte, ist heute um 15 Uhr komplett ausgerastet und hat eine kurze Pressekonferenz gegeben. Er attackierte die Medien und nicht etwa die Polizei, die die Vernehmungsprotokolle mit seinen Aussagen der Ortszeitung zur Verfügung gestellt hatte: "Alles, was gedruckt worden ist, alles, was berichtet worden ist, alles, was an dem Tag, an dem Teddy Kennedy gestorben ist, in den Nachrichten gebracht wurde, ist eine Lüge. Eine Lüge."
Pitino, der pro Jahr mehr als zwei Millionen Dollar verdient, ist im Prinzip nicht mehr tragbar. Und zwar aus einem eher nebensächlichen Grund. Je mehr die Öffentlichkeit von Sypher erfuhr – sie hatte nach der Sexkapade einen Anruf Pitinos auf ihrem Anrufbeantworter aufgezeichnet und die Aufnahme neulich einem örtlichen Fernsehsender gegeben, ihre Vergewaltigungsanschuldigungen wurden von der Polizei als nicht glaubwürdig eingestuft, Aufnahmen von Gesprächen mit den Ermittlern, die heute publiziert wurden, zeigen einen Menschen mit einer deutlichen Persönlichkeitsstörung – desto mehr regen sich die Zweifel an Pitino. Verfügt der Mann überhaupt über eine Spur von Menschenkenntnis? Sollte der wirklich die Kinder anderer Leute betreuen?
Man darf davon ausgehen, dass der Coach mit seinem jüngsten Auftritt eigentlich nur noch eine Strategie verfolgt: sich gegenüber der Leitung der Universität so zu positionieren, dass sie ihn feuern muss. Und dass er bei einer solchen Auseinandersetzung nicht den 3,6 Millionen Dollar Bonus verliert, der ihm laut Vertrag 2010 ausgeschüttet werden soll.
Übrigens das Buch von Pitino und Forde trägt einen seherischen Titel: Rebound Rules. Auch wenn der Trainer gezwungen werden sollte, in Louisville sein Amt aufgeben muss, wird er nach einer Pause woanders wieder auftauchen. Der Mythos des erfolgreichen College-Magiers ist ungebrochen. Solche Leute sind unbesiegbar. Hier noch eine Hörprobe aus dem Buch.
Blick zurück: Wie man bei ESPN mit Leuten umgeht, die man nicht mag
Blick zurück: Die Pitino-Saga, Teil 1
Blick zurück: Die Frau, die Michael Jordan per Blog hinterherlief
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen