Der erste Song, den Siegfried Schmidt-Joos auf einem imaginären Sampler zur Geschichte der Rock-Musik unterbringen würde, ist eine Blues-Nummer von Betty Roche mit dem Titel Trouble Trouble. Vermutlich kennt kaum jemand die Komposition und ihre Stimme. Was sicher auch daran liegen dürfte, dass sich kaum jemand auch nur halb so ausgiebig mit den Preziosen der Musikgeschichte und den Vorläufern des Rock-Genres beschäftigt wie besagter Siegfried Schmidt-Joos, Initiator und Co-Autor des Rock-Lexikon.
Ich habe dieses Wissen und diese besondere Begabung zur Einordnung und zur Beschreibung von Musik und Musikerbiographien, wie sie sein Lexikon bietet, immer ein bisschen bewundert. Und zwar seit 1973, als ich mir die erste Ausgabe mit der Jimi-Hendrix-Illustration auf dem Cover gekauft habe. Das Buch war vermutlich indirekt für ein paar persönliche Entscheidungen mitverantwortlich, die ich im Laufe der Jahre getroffen habe: Studium der Musikwissenschaften in Berlin, die journalistische Beschäftigung mit Rockmusik, die Neugier auf und das bessere Basisverständnis für Interviews mit Figuren wie Mark Knopfler, Steve Winwood, Bette Midler, Sheryl Crow und vielen anderen sowie die Recherchenreise nach Woodstock (wo das Festival übrigens nicht stattfand) und nach Bethel (wo statt dessen drei Tage lang Chaos und Magie herrschten, die durch den Dokumentarfilm und die Alben den Rest der Welt erreichten). Alles ein paar Jahre her. Aber immer wieder lebendig und wach – besonders bei Besuchen von solchen Institutionen wie der Rock 'n' Hall of Fame in Cleveland (gutes Museum), dem Rock 'n' Soul Museum in Memphis (kleiner, aber intelligenter) oder von Graceland, dieser kitschigen großen Kaschemme, die Elvis Presley hinterlassen hat.
Ich bin am Sonntag mal wieder zufällig in Bethel an der Woodstock-Wiese vorbeigekommen, in jener abgelegenen Gegend zwei Stunden außerhalb von New York, wo man 20 Jahre lang Angst hatte, dass die ausgelassen Bataillone von Langhaarigen wiederkommen und noch einmal alle Felder ringsherum verwüsten, und weitere 20 Jahre brauchte, um den langsam verblassenden Ruhm zu akzeptieren. Auf der Fahrt ist mir eingefallen, dass dieser Ausflug ein guter Anlass sein könnte, an dieser Stelle auf die nagelneue, total überarbeitete und erweiterte Ausgabe des Rock-Lexikon hinzuweisen (1500 Stichwörter, 2000 Seiten). Zwei dicke Taschenbuch-Bände, die ich selbst in Zeiten von Wikipedia einfach unersetzlich finde.
Weil das so ist, habe ich neulich ausführlich mit Siegfried Schmidt-Joos über seine Arbeit und seine Einschätzungen gesprochen. Das Interview kann man in der aktuellen Ausgabe des Musikmagazin Rolling Stone nachlesen (leider nicht online). Eine kürzere Fassung ist vor ein paar Tagen im Tages-Anzeiger in Zürich erschienen (ebenfalls nicht online).
Die Rhythm&Blues-Auswahl von Schmidt-Joos für den oben angesprochenen fiktiven Sampler endet mit einem Stück von Stevie Wonder von seinem Album Fulfillingness' First Finale und dem Titel You Haven't Done Nothing (hier live von der Grammy-Verleihung):
Die gesamte Liste der von ihme genannten Musikstücke findet man auf einer Seite vom Rowohlt-Verlag. Dort kann man auch die beiden Bände bestellen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen