Arglose Chinesen, die gedacht haben, sie könnten für die eigens für Proteste vorgesehenen Zonen in Peking bei den Behörden tatsächlich um eine Erlaubnis zum Protest nachsuchen, sind auf dem Weg ins Arbeitslager. Wie wird angesichts solcher Härte in harmlosen Fällen das Strafmaß gegen die chinesische Fälscherbande ausfallen, die für die Teilnahme von Turnerinnen bei den Olympischen Spielen verantwortlich ist, die nicht alt genug sind? Das werden wir vielleicht nie erfahren. Denn zuerst einmal muss das IOC, das nach einer ewig langen Karenzzeit endlich die Ermittlungen eingeleitet hat, die Belege für den Fälschungsakt als plausibel akzeptieren. Wer weiß, ob Jacques Rogge daran ein Interesse hat. Und zweitens müssen erst einmal die Sportfunktionäre in China ihre Betrugsversuche zugeben. Aber falls sie den krassesten Fall weiter abstreiten, werden sie das vor allem mit einer Paranoia unterfüttern, die alle Beschuldigungen erst mal auf die bösen Ausländer schiebt, das wären die, die ein Problem mit der chinesischen Unterdrückungskultur haben.
Aber vielleicht erstmal zu dem konkreten Vorgang, der nach Informationen der Londoner Times endlich vom IOC untersucht wird, nachdem der Internationale Turnverband offensichtlich seine Unfähigkeit dokumentiert hat, eine Angelegenheit zu klären, die in seiner Zuständigkeit liegt, weil sie das Regelwerk betrifft: Man muss 16 sein, um international turnen zu dürfen. Die fragliche Chinesin ist 14.
Es gab in den letzten Tagen schon Fundstellen im Internet, die belegten, dass die Aufsicht gepennt hat. Ich schrieb dann aber lakonisch: "Niemand hat den Mut oder möchte in China den Chinesen ins Gesicht sagen, dass sie betrügen." Warum? Die Turnwettbewerbe und die Spiele standen noch am Anfang. Eine Aufklärung des Sachverhalts und die Aufhellung der unmoralischen Haltung der Chinesen hätte mit einem Schlag die Stimmung gekippt – und das mehr als eine Woche vor dem Ende der Veranstaltung.
Kurz vor Schluss der Spiele ist diese Gefahr gebannt. Zumal sich die betroffenen US-Turnerinnen und ihre Begleiter nicht sonderlich echauffierten. Wer weiß, welchen Dreck die am Stecken haben, dass sie (außer Ex-Trainer Bela Karoly, der im Studio als Fachkommentator seinen Einschätzungen freien Lauf ließ) so still vor sich hin schwiegen? Sie hatten jeden Grund zu meckern: Sie haben schließlich die Goldmedaille in der Mannschaft und am Stufenbarren verpasst.
Als ich gestern las, was der New Yorker Blogger Mike Walker herausgefunden hatte, habe ich denn auch ehrlich gedacht: Das wird niemanden weiter beschäftigen, dass es nun noch mehr Beweise für den Betrug gibt. Denn obwohl die Hinweise auf die Verschleierungsmaßnahmen der chinesischen Sportführung nun klar und deutlich werden, nachdem sie die entscheidenden Webseiten mit den inkriminierenden Excel-Dateien klammheimlich aus dem Netz genommen hat: Wahrscheinlich brauchen die Verantwortlichen die Beweise auf dem Silbertablett, ehe sie einen Anfangsverdacht entwickeln und selbst ermitteln. Aus diesem Grund habe ich nichts über die Fundsachen geschrieben. Obwohl es mich ziemlich in den Fingern gejuckt hat.
Einen Tag später hat sich der Skandal weiterentwickelt und der Blogger scheint auf dem Weg zum Stardetektiv. Ich denke, er wird (sicher nicht bei NBC) im Fernsehen auftauchen. Und er wird allen kleinen Kindern, die davon träumen, mal selbst einen großen Fall zu knacken, als Vorbild dienen. Man fühlt sich übrigens unweigerlich an dogfood, allesaussersport und die "Tonstörung namens Godefroot" erinnert. Denn auch in jenem Fall vor einem Jahr war kein Journalist in der Lage gewesen, den Knackpunkt aufzuhellen. Das war die Leistung eines Bloggers gewesen. Etwas, was man beim Spiegel in der umstrittenen Blogger-Geschichte neulich sehr gerne übersehen hat. Einen Monat später allerdings zollt man dem findigen Blogger Walker bei diesem Spiegel sehr viel mehr Respekt. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht weil er in New York sitzt und nicht in Hamburg?
Walker selbst spielt sich in der Sache bis zu einem gewissen Grad herunter. "I am one, but You are Many. Good luck.", schrieb er seine Leser, um sie ermuntern, sich mit der Technik des Auffindens von Informationen im Internet vertraut zu machen. Sein eigentliches Thema: Das Ausmaß an Zensur, in die offensichtlich in China auch Google verwickelt ist. Denn über die chinesische Suchmaschine Baidu gab es bei seiner Suche durchaus relevante Resultate.
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