Die Reaktion von Tobias Unger auf den Erfolg von Usain Bolt bei den Leichtathletikwettbewerben in Peking hat etwas Erfrischendes: "Die springen auf ihrer Insel rum, wie sie wollen, denen passiert gar nichts. Ich muss mich allein hier bei Olympia an- und abmelden, für den Fall, dass wir eine Dopingkontrolle haben. Ich habe langsam keine Lust mehr.“ Das Erfrischende besteht darin, sich auszumalen, was eigentlich passieren würde, wenn noch mehr Sprinter die gleiche Empfindung beseelt und sie das tun, was saubere Sportler schon immer getan haben sollten: einfach den Wettkampf verweigern. Nicht frustriert nach Hause gehen und sich zurück ziehen vom Sport, sondern Organisieren, Demonstrieren, Boykottieren, Inkriminieren. Endlich mal Staatsanwälten erzählen, was sie wissen – über Lieferanten, Trainer, Substanzen.
Wäre das nicht mal eine ernsthafte Maßnahme angesichts der massiven Manipulationsversuche, über die es im Fall von Jamaika überhaupt keine Zweifel geben sollte? Schluss mit der Schimäre der sogenannten Unschuldsvermutung, sondern Auftakt für einen neuen Denkansatz, ausgeliehen aus der Strafprozessordnung: den Anfangsverdacht. Wenn nicht sogar den hinreichenden Tatverdacht.
Wäre das nicht mal etwas, um die routinierte Abwicklung von hochgehypten Sportereignissen und ihrem Rekordwahn aus dem Gleis zu werfen: Ein Boykott nicht aus sehr abstrakten politischen, sondern aus ganz sportlichen und eigennnützigen wirtschaftlichen sowie strafrechtlichen Erwägungen? Nicht mehr starten, wenn eindeutig fragwürdige Personen auflaufen und die Farce aus der Sicht des eigentlichen Opfers attackieren – aus der Sicht des betrugsgeschädigten Athleten? Nicht mehr als Staffage und Pappkamerad zur Verfügung stehen und nicht mehr das absurde Abhalten von Vorläufen und Zwischenläufen rechtfertigen, die keiner braucht, wenn der Gewinner doch sowieso schon feststeht.
Man fragt sich: Wo und unter welchen Umständen würde Bolt dann noch laufen? Würde er vielleicht so wie einst Jesse Owens gegen Pferde antreten? Oder würde er und seine Mitstreiter endlich die Wahrheit sagen? Tobias Unger, das wäre doch den Versuch wert, oder nicht?
1 Kommentar:
Schön wäre es. Aber das Problem dabei ist ja, dass es sich bei einem Boykott um lauter Einzelentscheidungen handeln würde. Jeder Sportler müsste für sich entscheiden, ob er das Risiko eingeht, vielleicht der einzige zu sein, der vom Start fernbleibt. Damit würde er sich nicht nur um einen (eigentlich sowieso un-) möglichen Erfolg bringen. Er würde auch Antritts- Sponsoren- und sonstige Gelder verlieren und für die kommenden Wettbewerbe nicht mehr berücksichtigt werden. Dem Mythos des dopenden Einzeltäters steht das Engagement des Einzelnen gegenüber. Das macht die Sache schwierig oder gar unmöglich und alle schauen sich den Zirkus weiter an. Leider...
Kommentar veröffentlichen