Im Ringen mit der Olympischen Idee, eine Karikatur, die das Markenzeichen von Olympia aufs Wesentliche reduziert: Entworfen von Beau Bo D'Or/ www.bbdo.co.uk/blog/archives/540
Das richtig Harte an der Tour, die der Deutsche Olympische Sportbund vor einer Weile mit dem Saftblog praktizierte, bestand aus der Vorgehensweise. Da wurde ein ganz kleiner Fisch im großen Teich von einem riesigen Hai attackiert und schamlos in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht. Der Overkill bestand in dem willkürlich angesetzten Streitwert von 150.000 Euro. Es gab eine Solidaritätsaktion und eine gütliche Einigung. So weit so gütlich?
Wohl kaum. Vor allem, wenn man weiß, was der Blogger getan hatte: sich die fünf Ringe auszuleihen, um seine Gedanken zum Thema Sport zu illustrieren. Man hätte dem Blogger vermutlich mit einem netten Brief die weitere Verwendung des geschützten Markenzeichens ganz locker ausreden können. Aber der DOSB hat andere Sorgen als nett und freundlich zu sein. Woher soll denn sonst das viele Sponsoren-Geld kommen, wenn man nicht die Leute einschüchtert, die für eine Nutzung keinen Cent bezahlen wollen? Und abgesehen davon: Es gibt ein Sonder-Gesetz, das den Anspruch zementiert. Aus den Versuchen von neulich das Gesetz abzuschaffen, ist nichts geworden.
In den USA stellt das amerikanische NOK den Leuten nicht minder nach, wenn die Rechtsabteilung – recherchemäßig sehr einfach über das Internet – Verstöße gegen das Markenrecht findet. Hier dreht es sich seltener mal um die fünf Ringe als vielmehr um die Verwendung des Wortes Olympics. Das finden viele Menschen griffig und eindeutig genug, um es im Rahmen von Veranstaltungen aller Art einzusetzen. Zu Unrecht, wie ein höchstrichterliches Urteil zum Thema Gay Olympic Games aus dem Jahr 1987 verbindlich erklärte. Olympics ist ein schützenswertes Spezifikum. Das kann sich nicht einfach jeder unter den Nagel reißen oder verballhornen (Olympigs, Bibleympics). Der Unterschied: Der Brief vom Anwalt ist im amerikanischen Rechtsalltag so etwas wie eine Gelbe Karte im Fußball. Nur wer die ignoriert, muss mit verschärften Forderungen rechnen.
Was da allerdings jenseits der Sprachkultur geschützt werden soll, wird in Peking gerade prima vorgeführt. Die Partner der Veranstaltung: ein Unterdrückungsregime, das als neue Wirtschaftsmacht glänzen will, Fernsehsender, die den Sport als hübsche (legale) Droge einsetzen, um im Milliarden-Maßstab die Werbeflächen der Bewusstseinsindustrie zu verhökern, und die Funktionäre, die das alles willig und brav organisieren. Das kommt kompakt und stromlinienmäßig rüber. Es ist ein fertiges Produkt. Das perfekteste Produkt der Leistungsfabrik "Globalisierung", die auch nachwievor den Konsumenten nicht als Gesprächspartner für gesellschaftliche und andere Fragen betrachtet, sondern als passiven Verbraucher irgendwelcher Sinnesreize.
Das soll so weitergehen? Nach 112 Jahren Endlosschleife, die ohnehin ein ziemlich langer Zeitraum für eine Phantasievorstellung waren, die in einer anderen Epoche entstanden war - in der Zeit vor Kino, vor Fernsehen, vor Videospielen, vor Doping, vor Nike und Adidas und McDonald's und Visa und vor dem Markenrecht?
Man sollte sich nicht wundern, wenn die über hundert Jahre vonstatten gegangene Aushöhlung und Umdeutung der alten Idee, die in diesen Tagen im Smog von Peking als perfekte Vision brutal klar ihre Konturen zeigt, ungewollte Konsequenzen haben wird. Man kann erste Spuren eines Rezeptionswandels in den USA erkennen, wo ein erstaunliches Desinteresse an der Veranstaltung herrscht. Und das ausgerechnet in dem Land, das über den Fernsehsender NBC den größten Teil der TV-Lizenzen bezahlt, ohne die die Mammutveranstaltung nicht durchzuführen wäre.
Der Sender ist bestens präpariert und wird tausende von Stunden live auf mehreren Kanälen und im Internet zeigen. Er hat dafür gesorgt, dass die Schwimmer ihre Endläufe morgens austragen, damit die Zuschauer in den Vereinigten Staaten die Wettbewerbe als Highlights im Abendprogramm serviert werden können. Er geriert sich rechtsmächtig als Monopolist der alten Schule und verhindert mit aller Kraft, dass etwa Webseiten von US-Fachverbänden und deren Booster eigenes Videomaterial mit Interviews von Olympia-Qualifikanten online stellen können.
In dem Bedürfnis nach absoluter Exklusivität und Abschottung und Kanalisierung des kostbarsten Gutes – den bewegten Bildern – steckt jedoch genau das Problem: Wer nicht teilen kann, kann auch nicht mitteilen. Und wer nicht mitteilen kann, verhindert auf Dauer jedwede freudige Erwartung oder gar Euphorie.
Da sollte es gar nicht mehr so lange dauern, bis die Herren der Ringe von einem neuen Gefühl beseelt sein werden: von der Freude darüber, wenn sich nette Blogger überhaupt noch die Mühe machen, sich mit dem Thema Olympia zu beschäftigen. Das Leben geht schließlich weiter. Ob mit Jacques Rogge oder Thomas Bach oder ohne.
Andere Stimmen und Infos zu diesen Spielen (sehr zu empfehlen): allesaussersport, Jens Weinreich, faz.net.
Die NBC Online Arbeit sollte man sich auch mal zu Gemüte führen. Vor allem, wenn man die Infrastruktur einer solchen außerordentlich komplexen Präsentation studieren will. Das Angebot geht nicht nur thematisch in Breite (wo liest man schon ein Interview mit der 16jährigen, die es in die US-Mannschaft im Modernen Fünfkampf geschafft hat), sondern auch in eine regionale Tiefe. Wer seine amerikanische Postleitzahl eingibt und den örtlichen NBC-Sender benennt, bekommt Informationen über Olympia-Teilnehmer aus der jeweiligen Region. Alles wird mit viel Werbung garniert und mit Rubrikenzeilen, die entweder als Markenzeichen registriert sind (®) oder bereits angemeldet (™). Zur Qualität der Darbietungen demnächst ein bisschen mehr.
Nachtrag: Zum Thema wo und wie überall auf der Welt das Interesse an den Olympischen Spielen zurückgeht, sollte man sich dieses Radiointerview im Deutschlandfunk vom Sonntag gönnen. Der Experte: Stephan Schröder von Sport+Markt, einem führenden Sportbusinessberatungsunternehmen in Köln.
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