Ich komme hier in Manhattan dauernd an dem Haus vorbei, vor dem 1980 John Lennon erschossen wurde, und an dem geschmackvollen kreisrunden Mosaik im Boden im Central Park gleich nebenan, das an ihn erinnert. Da sieht man dann Touristen, die herumknipsen, als gäbe es etwas zu sehen (es sind jedoch nur andere Touristen), aber auch solche Besucher, die still verweilen und vielleicht auch mal eine Gitarre auspacken und ein paar Akkorde anschlagen und etwas summen. Es wird nie richtig laut in Strawberry Fields. Der Ort scheint kultisch gesehen eine würdige Stätte der Erinnerung geworden zu sein.
Ich bin in Elvis seinem Graceland in Memphis gewesen (ein knatschbunter Rummelplatz) und in der Rock'n'Roll Hall of Fame in Cleveland (abgesehen von dem lächerlich hohen Eintrittspreis eine intelligente Präsentation), im Rock N Soul Museum in Memphis (die bislang beste und schlüssigste Darbietung, die beschreibt und erklärt, wie die Musik der Schwarzen die Musik der Welt wurde und wie die Welt die Musik der Schwarzen beeinflusste). Und ich habe mit 20 Jahren Verspätung auf dem Gedenkstein in der Wiese gesessen und meditiert, wo das Drei-Tage-Konzert namens Woodstock stattfand. Mich interessieren die Hinterlassenschaften von populärer Musik und ihren anfänglich so kruden, aber außerordentlich kreativen Gehversuchen. Denn sie erinnern mich an eine Epoche, die solche Produktionen wie MTV Unplugged in ihrer schamlosen inszenierten Pseudo-Intimität nie nachempfinden werden. Die Zeit vor den Fernsehdarbietungen und vor dem Internet-Informationskonsum, der viel zu vielen Menschen das Gefühl gibt, ihre Sekundär- und Tertiärwahrnehmungen seien ebenso bedeutend wie das Erlebnis selbst. Ich würde denen mal einen Besuch an Orten empfehlen, an denen die Musik auf eine sehr viel relevantere Weise weiterlebt.
Ich weiß nicht, ob ich dieses Museum dazu rechnen würde, zu dem mir gerade hier ein lesenswerter Artikel über den Weg gelaufen ist. Der Text behandelt leider nicht die Frage, ob Jimi Hendrix überhaupt jemals die Statur besaß, jenseits seiner enormen Virtuosität als Gitarrist und dem Symbolgehalt seiner Woodstock-Version des Star Bangled Banner, den Rang einer wirklichen Pop-Kulturikone zu erreichen. Es besteht da in diesen Tagen leicht Verwechslungsgefahr. Nur weil sein einmaliges Talent, auf eine verblüffend kontrollierte Weise aus einem Gitarrenverstärker Töne herauszudrechseln, noch immer von keinem Musiker erreicht oder gar übertroffen wurde (Stevie Ray Vaughn starb leider viel zu früh), lässt sich daraus noch kein musealer Wert ableiten. Was gibt es schon zu erzählen und zu präsentieren? Die Alben, die er aufgenommen hat, gibt es schließlich noch immer. Und wer etwas über Jimi Hendrix wissen will, braucht sie sich nur anzuhören.
Der Fall erinnert einen an den Grabstein von Jim Morrison auf dem Friedhof Père-Lachaise in Paris (oder eben auch an Lennons Mosaik im Central Park). Das sind Orte, zu denen sich Menschen hingezogen fühlen und wo sie Nostalgie auf eine spontanere Weise ausleben. Was braucht man immer ein ganzes Museum, um die Lebensleistung einen einzelnen Musiker zu würdigen?
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