Man sitzt in seinem beruflichen Leben in so manchem Meeting. Wenn man als Journalist sein Geld verdient, sind das vor allem Themenkonferenzen. Aber niemand fährt in solchen Augenblicken mit Kameras um einen herum, während man versucht, seine Ideen zu verkaufen. Die neue Sport-Magazinsendung E: 60 bei ESPN nutzt solche Arbeitsgespräche als Futter für zusammengeschnittene Überleitungen bei der Ausstrahlung. Irgendjemand in der Internet-Redaktion hatte das Gefühl, man müsste den minutenlangen halbgaren Versuch von Michael Smith in seiner ganzen Länge online stellen, eine Geschichte zu verkaufen, die niemanden in der eigenen Redaktion interessiert. Vorsicht: Das geht über Minuten. Und der Mann hat wirklich kein vernünftges Argument außer seiner Sympathie für die Figur.
Das Video gibt einen kleinen Einblick in die flache Denke von hoch bezahlten Medienarbeitern, die am Ende als Instanz mit Macht im Mediengeschäft entscheiden, was ein Thema ist und Millionen von Menschen erreicht und was nicht. Und es zeigt, warum man die Leute im Hintergrund nach so wichtig machen will: Um den Fernsehreportern eine Starrolle zuzuschieben, ohne die ein Programm wie E: 60 in den USA nicht funktioniert.
Die Chad-Johnson-Geschichte (Football-Profi bei den Cincinnati Bengals) wurde nach all diesen geistigen Klimmzügen tatsächlich produziert. Ich habe die Sendung (laut Eigenwerbung "ESPN’s first multi-subject, prime-time newsmagazine program") gestern aber schon nach dem Auftaktbeitrag von Rachel Nichols abgeschaltet. Und deshalb habe ich auch keine Meinung zu dem fertigen Beitrag. Mir reichte das Machwerk Nummer eins: Da ging es um Jeanie Buss, der Tochter von Jerry Buss, dem Besitzer der Los Angeles Lakers, die als Marketing-Managerin für den Club arbeitet und sich als Lebensgefährtin von Coach Phil Jackson in einer kuriosen Situation befindet. Obwohl die Frau dank ihrer Interesssenslage oft mit Schwierigkeiten zu tun hat und sich derzeit alles verkompliziert (Stichwort: Kobe Bryant will weg, der Vertrag von Jackson hängt in der Luft), kam nur ein eindimensionales Porträt einer Frau in einer Männerwelt dabei heraus, die ihr bestes tut, alles hübsch auszutarieren. Der Beitrag enthielt keine neuen Erkenntnisse, keine neuen Wahrheiten. Einfach nur die Fläche hinter der Oberfläche, die niemanden wirklich interessiert. Es sei denn man hat einen Hang zum Grafischen und wollte mal wissen, wie das aussieht, wenn man eine Kamera an all den hübsch aufgereihten Meisterschaftspokalen der Lakers vorbeifahren lässt. Man konnte allerdings erkennen, dass Rachel Nichols vor Ort hart und lange an dem Stück gearbeitet hat. Sie hatte nicht bei jedem Interview das gleiche an. Für eine Einschätzung der ersten Folge des Magazins möge man Richard Sandomir von der New York Times lesen. Er bringt die Sache auf den Punkt.
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