Mag sein, dass der Sportreporter von Richard Ford in die letzte Kurve seines Lebens einbiegt und im dritten Band der Serie müde über seinen dahin mäandernden Alltag nachdenkt. Der Mann ist krank und älter geworden. Und Die Lage des Landes (so der Titel des soeben in der deutschen Übersetzung erschienenen Buches) macht beim besten Willen keinen Mut. Fords Kunst-Figur Richard Bascombe, der mit sehr viel Erfolg als profilierter Journalist für ein Sportmagazin arbeitete, gab irgendwann das Schreiben auf und wurde Immobilienmakler. Wer wissen will, warum, sollte das zweite Buch lesen. Es heißt Unabhängigkeitstag und ist das literarisch stärkste der Reihe, deren epischen Teilwerke der Schriftsteller im Zehn-Jahres-Takt herausgebracht hat.
Für Bascombes Realwelt-Kollegen allerdings dürfte das Leben noch nie so gut ausgesehen haben wie heute. Zumindest für die Burschen (und neuerdings auch Frauen) mit Namen und Reputation, was sich amerikaweit auf eine Liste mit rund 50 Schreibern reduziert. Die spielen neuerdings in einer Liga, in der es keine Salary Cap zu geben scheint. Das stärkste Indiz: Die 2 Millionen Dollar Jahresgehalt, für die Rick Reilly, der langjährige Kolumnist von Sports Illustrated, dem Vernehmen nach zu ESPN wechselt. Sports Illustrated war jahrzehntelang der Olymp des amerikanischen Sportjournalismus, nach einer Gründungsphase in den fünfziger Jahren, als das Magazin aus dem Hause Time (heute heißt der Verlag Time Warner) mehrfach auf der Kippe stand. Das Wochenblatt produzierte nicht nur Qualität und lange Lesestücke auf einem Sprachniveau, das der Typ von der Tailgate-Party vor dem NFL-Stadion gar nicht mehr begreift. Es produzierte Auflage. In seinen besten Jahren waren es weit mehr als 2 Millionen verkaufte Exemplare. Fast alle gehen über Jahresabos an die Kundschaft. Der Risikofaktor Kioskverkauf ist ausgemerzt.
Als ESPN vor ein paar Jahren ein zweiwöchentliches Magazin auf die Beine stellte, um sein bis dahin auf Fernsehen (und ein bisschen Radio) beschränktes Angebot zu erweitern, sah noch niemand die Zeichen an der Wand. Der neue Konkurrent wirkte bisweilen fast wie eine Parodie auf das Genre und nicht wie ein verlässlicher Wegbegleiter und Informant, von dem man sich regelmäßig mit Einschätzungen und Werturteilen versorgen lässt. Weshalb die Redaktion auch nie eine Anziehungskraft für Journalisten mit Ambitionen besaß. Immerhin: Das Hochglanzprodukt auf stumpfem Papier brachte es auf mehr als 500.000 Bezieher und verdiente Geld.
ESPN baute während dessen jedoch nicht nur die Fernsehpalette aus (vier englischsprachige Kanäle in den USA). Die Tochter des Unterhaltungskonzerns Disney investierte irgendwann so geschickt und zielstrebig in eine Internet-Plattform, dass man auch dort um die Position des Marktführers kämpft. Kein Anbieter offeriert eine derartige Vernetzung zwischen den einzelnen Abspielkategorien - TV, Radio, Print, Online. Schon gar nicht Sports Illustrated beziehungsweise Time Warner, wo man zwar vor einiger Zeit den Fernsehsender CNN erworben hatte und in eine Fusion mit der Internetfirma AOL einging (und kurzfristig den Firmennamen AOL Time Warner trug) aber nie einen Weg fand, die vielen losen Enden produktiv ineinander zu integrieren.
So steht man nicht nur ziemlich hilflos den Abwerbemethoden der Konkurrenz gegenüber, sondern erlebt den Super-GAU im eigenen Schaffen. Sports Illustrated wirkt schon lange wie ein Heft aus einer anderen alten Zeit, geschrieben für eine andere, ältere Generation. Die Online-Bemühungen sind kläglich. Nicht nur wenn man es mit solchen Informationsangeboten wie Page 2 vergleicht. Und zum Thema Fernsehen gibt es bestenfalls Reminszenzen an den gescheiterten Versuch, ein Publikum für den Sportnachrichtenkanal CNN/Sports Illustrated zu finden.
Dass man sich bei Sports Illustrated inzwischen ernsthafte Gedanken über die Zukunft macht, überrascht denn auch nicht. Zur Zeit sieht es so aus, als ob das Management zumindest eine Defensiv-Strategie verfolgt: Statt hervorragend bezahlte Autoren mit höheren Gagen zu halten, schaut man sich lieber nach neuen Leuten um. Talente gibt es genug. Die reichen von den üblichen Verdächtigen, die man von den Kolumnisten-Diskussionsrunden auf ESPN und der Nonsense-Sendung Around the Horn kennt, bis zu den in der Branche als Geistesgrößen eingestuften Journalisten wie Selena Roberts (New York Times), in deren Kielwasser sich eine ganze Reihe von bemerkenswerten weiblichen Talenten (Liz Robbins, Lynn Zinser) bei Amerikas bedeutendster Tageszeitung nach oben gearbeitet hat.
Dass sich die Unruhe und Bewegung in den Glamourzonen des Sportmediengeschäfts bei einigen extrem gut auf die Einkommenssituation auswirkt, heißt jedoch nicht, dass auch der gesichtslose Sportjournalist an seinem Computer davon profitiert. Im Onlinegeschäft wird nachwievor schlechter bezahlt als in den Bastionen des Metiers, wo alles nach Stellenabbau riecht. Obendrein drängen Blogger nach, die mittlerweile mitunter intern schon hübsche kleine Scharmützel ausfechten (so bei der Washington Post, wo sich Top-Blogger Dan Steinberg, der mit einer unglaublichen Energie und Schreiblust einen konsequenten und innovativen Weg geht und neulich von einem einem Football-Beat-Reporter der Zeitung mit Profilierungsproblemen angepupt wurde.
Die Aufwallungen werden nicht nur von den Eitelkeiten der beteiligten Personen vorangetrieben. Sie spiegeln einfach nur ein ähnliche Entwicklung im Kommerzsport wider, wo Primadonnen und Wasserträger das Entertainmentbedürfnis von Millionen befriedigen. Und sie symbolisieren die Verunsicherung, von der die Entscheidungsträger im Medienbusiness gepackt worden sind. Niemand - außer ESPN - scheint zu wissen, wo die Reise hingeht.
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