3. Oktober 2007

Der geistige Erbruch vom Herrn Armstrong

Irgendwo genau zwischen den Augen unter hinter der Stirn muss eine Stelle in meinem Gehirn sitzen, an der die ganze Arschigkeit von Lance Armstrong noch jedes Mal einen Impuls auslöst, sobald der Mann nur den Mund aufmacht und die Nachricht über den geistigen Erbruch über den Bildschirm kommt. Es ist wahrscheinlich pathologisch. Denn eigentlich könnte einem ein Radrennfahrer aus Texas so was von egal sein. Genauso wie in jener Zeit, als er noch keinen Krebs hatte und noch nichts bei der Tour de France gewonnen hatte und noch nicht dieses Prinzip an den Tag legte, wonach seine Logik die verbindliche sei. Und ich meine Logik mit Anführungszeichen. Denn mit den Grundsätzen abendländischer Denkkultur hat das nur die Sprache und Grammatik gemein, nicht jedoch die Reflektion über Konstellationen wie Ursache und Wirkung, Wissenschaft und Forschung, und unser Rechtsverständnis, das sehr viel feinsinniger daher kommt, als sich das in dem Grundsatz manifestiert: im Zweifel für den Angeklagten.

Aber Armstrongs Logik hat Durchschlagskraft. Am Anfang konnte er behaupten, die negativen Tests seien Beweis dafür, dass er nicht dedopt war. Als Tests von altem eingefrorenen Urin belegten, dass er gedopt war, attackierte er den Modus des Verfahrens. Als ihm eine Versicherung mehrere Millionen Dollar schuldete, attackierte er im Zivilprozess die Glaubwürdigkeit der Zeugen, die hinreichend Indizien für seine Vorgehensweise vorgebracht hatten, und einigte sich gütlich. Die Nebelkerzen seiner angeblichen Verleumdungsprozesse gegen Buchautoren in Europa sind alle abgebrannt. Der von ihm zum Extrem-Buhmann hochstilisierte Dick Pound von der Wada tritt ab. Was bleibt noch? Wie wär's mit einem ganz frischen Statement darüber, dass ein normales amerikanisches Zivilgericht mit Geschworenen, also etwa das, was gestern Knicks-Coach Isiah Thomas in New York verurteilt hat, dem Sportbetrüger Floyd Landis einen Freispruch besorgt hätte. Die damit verbundene Unterstellung: Ein Schiedsgerichtsverfahren wie das gegen Landis sei nicht fair: "Wenn du gegen jemandem ein Todesurteil verhängst, was sie hier im Grunde getan haben, dann kannst du keine schlampige Arbeit akzeptieren, was sie eindeutig getan haben."

Der Skandal besteht eigentlich darin, dass solch ein Unsinn auch noch von Associated Press verbreitet und nicht relativiert wird. Nichts an dem Schiedsgerichtsverfahren war fehlerhaft. Es basiert auf amerikanischen Rechtsnormen. Es wird in anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft tagtäglich angewandt, solange sich die beiden streitenden Parteien auf diesen Regelungsmechanismus einigen können. Landis hat 2 Millionen Dollar für seine Verteidigung ausgegeben. Das einzige, was an dem Resultat nicht gepasst hat, war das....Resultat.

Armstrongs Absicht geht vermutlich in zwei Richtungen: Er will das existierende Antidoping-System desavouieren, weil es ihn ins Zwielicht gerückt hat. Und er will seinen Ex-Domestiken Landis öffentlich unterstützen, damit der nicht eines Tages doch noch auspackt und erzählt, wie es damals im Team von United Postal Service war. Denn Landis würde das helfen, weil er sich damit eine kürzere Sperre einhandeln könnte. Aber Armstrong wäre der Gelackmeierte. Aber sicher auch dann noch hätte Lance irgendetwas aufzubieten, um eine solche Enthüllung als Erfindung zu brandmarken. Hat man dem Mann damals bei der Tumoroperation frankensteinmäßig am Hirn herumgefummelt?

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