19. Januar 2008

Zu wenig über Bobby Fischer

Von den Nachrufen auf Bobby Fischer in Deutschland haben uns nur wenige etwas gegeben. Man stelle sich vor: Da stirbt das mutmaßlich größte Schachgenie aller Zeiten und alles, was die schreibende Zunft aus der Schublade zieht, sind ein paar trockene, ehrende Worte. So was über Einstein oder Freud, über Brecht oder, sagen wir mal, Konrad Adenauer - wir wären entsetzt, empört, geplättet. Klar: der Mann, hatte bizarre Züge und Persönlichkeitsmerkmale. Er ließ sich in keine Schablone pressen, um in der von Sponsoren ausgestalteten Welt zurecht zu kommen. Aber das war doch nicht der Grund, weshalb er so gut Schach spielen konnte? Und falls doch, keiner hat's geschrieben.

Es bereitet einem kein Vergnügen, diesen Mangel auf die Eile zu schieben, unter der alle Autoren der Todesnachricht aus Island ein paar gepflegte Zeilen hinzufügen mussten. Es muss sich doch jemand, der sich mit dem Metier beschäftigt hat, schon mal irgendwann früher hingesetzt und das Besondere an diesem Typen skizziert haben. Besaß er größere Gedächtniskapazitäten als seine Zeitgenossen und konnte sich also die wichtigsten Partien der Schachgeschichte besser einprägen? Sah er tiefer in die Struktur der vielen Kombinationsmöglichkeiten, die sich aus einem einzelnen Zug ergeben? War er ein Erfinder von schwierigen Täuschungsmanövern, also eine Art Fallensteller, der die Gegner dazu verführte, unvorteilhafte Optionen zu wählen? Besaß er ein Verständnis von sich und seiner Rolle als scheinbar unbezwingbarer Imperator, das über das typische amerikanische Athletenselbstbewusstsein hinausging? Und was bleibt wirklich von jemandem, der vor mehr als 40 Jahren unschlagbar schien und sich durch eigenes Verhalten und damit wohl auch bewusst aus dem Rennen nahm? Doch nicht die antisemitischen Hasstiraden? Oder der eisgraue Bart im Gesicht eines Geflohenen?

Mit nur wenig Mühe kann man selbst als wenig begabter Schachspieler folgende Erfindung von Bobby Fischer im Netz finden: Sein Konzept von Random Chess, mit dem sich das ziemlich langweilig gewordene Hochleistungsschach aus dem derzeitigen Trott herausbewegen könnte und eine neue Qualität erreichen. Niemand hat die höchst kreative Hinterlassenschaft erwähnt. Nicht mal das.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Immerhin im Nachruf der faz.net stand ein wie ich meine kontroverser (?) Absatz:

"Auf internationalen Turnieren sorgten die roten Funktionäre dafür, dass ihre Schützlinge den stärksten Bobby-Widersacher stets gewinnen ließen, damit dieser in der Endabrechnung besser abschneide als der Amerikaner."

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Den angesprpochenen Artikel in der FAZ fand ich noch mit Abstand am besten von allen. Aber auch hier fehlte mir der entscheidende Zug zum Kern der Sache. Ich habe im Stillen gehofft, dass der Schweizer Journalist André Behr, ein Schachexperte, etwas für den Tages-Anzeiger schreibt. Der hat für so etwas den besseren Blick. Vielleicht kommt da noch etwas.