29. Januar 2008

Online-Sportmedien in den USA: Investitionen zahlen sich aus

Hier ist mal wieder eine Zahl, die Verantwortlichen in Verlagen, Fernsehanstalten und anderen ambitionierten Schaltstellen altehrwürdiger, eingerosteter Medienpipelines wach machen könnte: Sportseiten im Internet haben im Jahr 2007 in den USA einen Werbeumsatz von mehr als 500 Millionen Dollar erzielt. Die Projektion von hier und heute aus lautet: Das wird sich in den kommenden vier Jahren verdoppeln. Warum es das tut, ist leicht zu verstehen. Die Medienverbraucher vor allem in der so begehrten Zielgruppe 25 bis 49, Untergruppe männlich, schalten ein. Und zwar im großen Stil. Dafür wie man sie einfängt, gibt es viele Ansätze. Vier sind in den Vereinigten Staaten besonders weit voraus: yahoo!, ESPN, AOL und Fox. Die eigentliche Überraschung bislang ist der Erfolg von yahoo! sagt dieser Artikel aus dem Wirtschaftsmagazin Fast Company. Dort sind mittlerweile 50 richtig gute Leute, darunter hervorragende Autoren, fest unter Vertrag. Der Arbeitsbereich Blogs wurde soeben von Jamie Mottram übernommen, der vorher bei AOL das Fanhouse aufgebaut hatte.

Man darf sich bis auf weiteres ausmalen, dass sich in Deutschland niemand mit Einfluss und Visionen für solche Entwicklungen interessiert. Man braucht sich nur die jüngsten Debatten um Jessens Video-Blog und die ekligen Kommentare anzuschauen, die er sich eingefangen hat. Die Debatten (nicht die ekligen Kommentare) wirken tatsächlich so, als gäbe es aus Sicht des Medien-Establishments derzeit nur eine vordringliche Aufgabe: Kontrollmechanismen und Sperrgitter einzurichten, um die ungelenkte und forsche Masse der Leser zu bremsen, die sich online ihre Wege bahnt und breit trampelt. So als wäre am Internet und an seinen neuen Informationsvermittlungsentwicklungen vor allem eines falsch: Dass es nicht von einer großen Koalition der Bildungsbürger, Kulturhoheits- und Bedenkenträger zu einer Schablone der Langeweile und Deformation degradiert werden kann. Dass es nicht in diesen prototypischen Bahnhofskiosk verwandelt werden kann, dem Sinnbild des deutschen Medienelends: Er bietet viel Buntes. Aber sucht man nach Substanz, findet man nichts, was einen interessiert.

Dabei: Wenn man sich wirklich mal mit den USA beschäftigt, wird man erkennen, dass sich auch Internet kommerziell erfolgreiche Konzepte durchsetzen werden, die idealistischeren Anbietern das Publikum abjagen werden. Und der werbetreibenden Industrie das Geld. Mit anderen Worten: Auch die die ungelenkte und forsche Masse aus dem Internet lässt sich lenken. Dazu braucht man aber Leute, die erstmal begreifen, was online passiert. Und die nicht denken, es handele sich dabei um eine Kopie des Gedruckten.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wer sich noch einmal einen Überblick zu den Kommentaren ("Sagt mal, spinne ich, oder hängt da Lenin an der Wand????") zu Jessens Video verschaffen will, sollte youtube besuchen, auch dort gibt es das besprochene Video. Link müsste zusammengebaut werden:

http://youtube.com/comment_servlet?
all_comments&v=lXhLAdPFROs

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Danke für den Hinweis. Zu dem Video könnte man eine Menge sagen. Vor allem, was die handwerkliche Umsetzung angeht (zwei Kameras!!!) und die Ablichtung eines ziemlich unaufgeräumten Arbeitsplatzes mit allerlei Devotionalien. Aber das sollte man angesichts der eigentlichen Debatte eher tiefer hängen. Das Kuriose ist: Hätte er das ganz normal aufgeschrieben und als Text in Umlauf gebracht, wäre die Reaktion vermutlich nicht halb so stark ausgefallen. Video hat eine andere Power, selbst wenn noch so krude rüberkommt.

Anonym hat gesagt…

danke für die schöne medienschelte, kann dem absolut zustimmen.