Kaum war das zähe Hin und Her im Regen von San Diego zu Ende, wo sich mit den Chargers und den Tennessee Titans zwei Müselige*) und Beladene aneinander abrackerten, da warteten wir auf Roger Clemens. Und warteten und warteten. Die Sendung 60 Minutes hatte zuerst den Schlaumeier vor der Kamera, der Pakistan regiert. Das Interview war so zäh wie das Footballspiel. Sieger: Musharraf, weil er trotz aller Zangenbewegungen der Reporterin Lara Logan nie zugeben musste, dass er der Hauptverantwortliche für den Terrorismus auf der Welt ist (Förderer der Taliban in Afghanistan, als die noch regierten. Enabler der Zellen in Karatschi und im Grenzland, in dem sich Bin-Laden aufhält. Wächter über die Madrassas, die nicht lange fackeln und ihre Kinder zum Zündeln animieren.)
Dann hatten wir den ehemaligen Running Back der Bostoner Winter Hill Gang, der in seinem Leben wohl etwa 20 Menschen umgebracht hat, aber mit relativ wenig Gefängnis bestraft wurde, weil er sich als Zeuge der Anklage einspannen ließ. Reporter Steve Kroft war durchaus Willens, das Gute in diesem Menschen zu finden, und erst recht das Schlechte. Aber alles glitschte durch die Hände, weil John Martorano kein Dummkopf ist. So saß er da - ein Killer, wie er im Buche steht. Und irgendwie war das alles nur - zäh. Und breiig.
Dann kam endlich Roger Clemens und ließ sich von dem 89jährigen Reporter Mike Wallace befragen, weil der den Ruf des unbestechlichen, unerbittlichen Fragestellers hat. Wallace ist seit einer Weile quasi im Ruhestand und kennt Clemens von einem früheren Interview. Er war jedoch kein Gegner für einen Baseball-Spieler, der seit Jahren an seinem Image feilt und alles an sich abtropfen lässt, was man in seine Richtung schmettert. Das war - wie soll man sagen? - zäh. Dieser Versuch, jemanden mit den Zitaten aus dem Mitchell Report zu konfrontieren, die ihn belasten und ihn dann mit seinen Dementis davon kommen zu lassen. Die Redaktion hatte nichts an eigener Recherchenarbeit auf die Beine gestellt, um die Frage der Glaubwürdigkeit des Pitchers und des ihn belastenden Fitnesstrainers gründlich zu analysieren. Ein kleiner Hinweis auf die Anwürfe in Andy Pettites Richtung (die der bestätigt hatte) und die zeigen, dass Brian McNamee ganz bestimmt kein durchtriebener Lügner sein kann. Das war's. Wallace brachte dann noch solche Sachen auf wie Lügendetektortest (ohne zu erwähnen, dass die Doping-Lügnerin Marion Jones den ihren bestanden hatte). Und er bat Clemens zu schwören, dass er die Wahrheit sagt. Er sagte: "Ich schwöre." Das machen Kinder auf dem Schulhof. Das soll die investigative Macht des Fernsehens sein?
Was bleibt: Die Erkenntnis, dass die Leute, die bei 60 Minutes vorab die Themen lancieren, besser sind als die Produzenten und Reporter der Sendung. Die streuen jede Woche mit Erfolg eine Erwartungshaltung, die darin gipfelt, dass sich Millionen von Zuschauern das Programm anschauen. Kompliment. Das ist auch eine Kunst, wenn das Produkt nicht hält, was sich unsereins davon verspricht.
*) Wortschöpfung
Nachtrag: Roger Clemens hat am Sonntag Klage wegen übler Nachrede gegen seinen ehemaligen Fitnesstrainer eingereicht. Ob er zum Hearing im Kongress antritt, wo er unter Eid aussagen müsste, steht noch nicht fest. Eingeladen wurde er. Termin ist der 16. Januar. Der Kongress hat theoretisch die Macht, jemandem eine verbindliche Vorladung zu schicken, wenn er sich weigert. Aber so weit sind wir noch nicht.
3 Kommentare:
Hinweis: wenn House Oversight committee = Kongreß, dann ist der Termin der 16. januar
Ansonsten: sehr schön aufbereitet, immer wieder gern gelesen!
Danke. Wird korrigiert
Clemens und sein Anwalt haben gestern noch einmal bekräftigt vor dem Congress auszusagen. Ob sie dabei bleiben, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Kommentar veröffentlichen