2. Dezember 2007

Scherenschnitt: Der Eishockeyprofi als Akt

Für den Boston Globe ist es keine Kunst, sich mit einem Thema zu beschäftigen, in dem es um Nacktheit geht, und dann die Abbildung, die das Thema illustriert, auf dramatische Weise zu zensieren (siehe Bild links, die Version der Zeitung). Aber so etwas ist in den USA einfach Standard. Man will sich sehr wohl mit Erotik - und mittlerweile auch Homoerotik - fraglos sehr gerne beschäftigen. Denn das kitzelt bekanntlich. Aber die ganze nackte Wahrheit, na, meine Güte, die darf der Leser nicht sehen. Um die zu sehen, bekommt er nicht mal ein Link auf der Webseite, auf der die Printgeschichte steht. Merke: Nacktheit könnte im prüden Amerika die Leute auf komische Gedanken bringen.

Bevor wir uns zu aufwändig mit der Doppelmoral der Medien in diesem Land beschäftigen (siehe Janet Jackson beim Super Bowl), soll erst einmal davon die Rede sein, um was geht: Um die Gemälde von ehemaligen Eishockeyprofis, die der Maler Kurt Kauper ganz ohne Kleidung posieren lässt, obwohl sie nie für ihn Modell gestanden haben. Man könnte das eine kleine Provokation nennen. Die natürlich nur dann funktioniert, wenn es jemanden gibt, der sich davon provozieren lässt. Kaupers Bilder des nackten Cary Grant hätten das vielleicht bewirken können. Hier handelte es sich schließlich um eine wirklich berühmte Hollywood-Figur. Aber Bobby Orr und Derek Sanderson, die einst für die Boston Bruins spielten?

Die Ausstellung der Gemälde läuft zur Zeit in der Deitch Gallery in New York. Die meisten Werke sind bereits verkauft. Für Preise zwischen 50.000 und 135.000 Dollar (so der Globe).

Nun zur Doppelmoral in Sachen Erotik und Sexualität: Rückständig und repressiv sind die Vokabeln, die einem als erstes einfallen, wenn man sich ein wenig in den Stoff einliest, zum Beispiel hier und hier. Dabei gibt es eine zwei- wenn nicht dreigeteilte geographische Ausgangssituation in diesem Land. Am schlimmsten geht es im Bible Belt zu, wo man so tut, als ständen die verbindlichen Angaben und Anweisungen zum menschlichen Körper und dem Verhältnis der Geschlechter zueinander in einem alten dicken Buch, dessen Autor(en) niemand je getroffen hat. Typischerweise sind das die Bundesstaaten mit der größten Kriminalität, dem schlechtesten Bildungsstand und der größten Zahl an armen Menschen. Dann gibt es die - meistens etwas größeren - Staaten, in denen die religiös geimpfte Bevölkerung an jeder Ecke den Kulturkampf probt - sei es bei Themen wie Evolutionstheorie, Gebete in der Schule, Abtreibung, Homosexualität. Und dann die wenigen aufgeklärten Metropolen und Kulturzentren, in denen die ewig Gestrigen kein Bein an die Erde bekommen. Boston gehört eigentlich in die Abteilung aufgeklärt. So kann man sich täuschen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

sehr interessanter Artikel, schön daß Sie ab und an auch einmal über den Tellerrand hinausblicken und solche Themen aufgreifen ... weiter so :)