14. Mai 2007

Der Glaube an die Kraft der Gene, Folge XY: Diesmal Bode Miller

Der weit verbreitete journalistische Kotau vor den Söhnen und Töchtern berühmter Sportler ist hier bei anderer Gelegenheit schon mal aufgegriffen worden. Einen ähnlichen Fall hatten wir vor ein paar Tagen: Da ging es um Dale Earnhardt jr. und sein geschäftlichen Ambitionen. Die vielen Moritaten über das Famlienleben von Proto-Sportlern und dieser fast schon nazimäßige Glaube an die Kraft der Gene, die uns zwei Jahrtausende Aristokratie beschert haben und nur mit viel Feuer und Flamme seitens unserer bürgerlichen und proletarischen Vorfahren in ihre Latifundien exiliert wurden, kann man noch übertreffen. Heute in der New York Times: Die Geschichte über einen Vetter von Bode Miller, der am Wochenende einen Polizisten erschossen hat und anschließend von einem Passanten mit der Waffe des Polizisten erschossen wurde. Der Tatort: Easton in New Hampshire, wo Miller und sein Cousin namens Liko Kenney aufgewachsen sind. Die verwandtschaftliche Beziehung: über die Mutter, deren Clan vor zwei Generationen in diesen abgelegenen herben Teil Amerikas gezogen ist und deren Angehörige offensichtlich eine antiautoritäre Einstellung gemein haben. Hat nicht auch Bode Miller so etwas Aufsässiges? Hat er sich nicht gerade offiziell aus dem US-Skiverband verabschiedet, weil er deren Auflagen nicht akzeptieren kann? Kommt man da nicht ins Grübeln?

Gewiss, aber erstens vor allem über die Menge an Platz, die die Zeitung diesem für amerikanische Fälle ziemlich alltäglichen Kriminalfall widmet. Und zweitens wegen der Chuzpe, die Familiengeschichte in einen Topf zu werfen: Auf Englisch heißt das dann: "the family’s outlaw mystique". Übrigens in der ganzen Geschichte kein Wort darüber, ob die beiden Burschen überhaupt ein näheres Verhältnis zueinander hatten (so etwas steht zumindest bei AP, wo man herausgefunden hat, dass Bode schon mal eine Kaution für Vetter Liko hinterlegt hat). Nur dieses Zitat von einem Onkel der beiden: "Bode hat seine Wut sehr nett ins Skifahren kanalisiert. Liko hat das nicht gehabt. Er konnte mit seiner Wut nicht umgehen." Und dann noch dieses Nugget: "Nicht weit von der tötlichen Szenerie befindet sich das Haus, in dem Miller im Schatten des Cannon Mountain aufwuchs." Grandiose Recherchenleistung: Wir stellen per Zitat eine beliebig erklärbare und interpretierbare inhaltliche Beziehung her und legen noch eine geographische Achse nach. Wenn so was in der BILD-Zeitung stehen würde, wäre das einen Eintrag im BILdblog wert. Es steht aber in der New York Times. The paper of record. Dort geht man eben auch gerne hochhackig übern Boulevard und wackelt mit dem Arsch.

Die beiden Fotos von Liko Kenney und dem erschossenen Polizisten stammen von der Webseite der örtlichen Fernsehstation WHDH.

P.S. Dieser Beitrag enthält acht Links. Ein absoluter American-Arena-Rekord.

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