10. März 2007

March Madness um eine Stunde verkürzt


Foto: flickr/creativecommons/chasingfun


Heute nacht wird die Uhr in den USA auf Sommerzeit vorgestellt. Eine Stunde weniger Schlaf. Und eine Stunde weniger für das Phänomen, das seit ewigen Zeiten unter dem griffigen Spitznamen March Madness läuft. Richtig verrückt daran ist gar nichts, wenn 65 Collegemannschaften über drei Wochenenden verteilt ein bestens organisiertes Turnier austragen, bei dem es um die amerikanische Universitätsmeisterschaft im Basketball geht. Aber das bisschen Neben-der Kappe-Getue daran genügt bereits. Und so kommt die NCAA-Meisterschaft mit diesem unausrottbaren Kunstwort daher. Sicher: Diese Titelkämpfe sind anders als alle anderen im Ligasport in den USA. Es machen mehr Teilnehmer mit. Die Teams und ihre Anhänger sind übers ganze Land verstreut. Es gibt keine Best-of-Seven-Serien, sondern ein eiskaltes KO-System. In den Rängen sitzen Studentenorchester und betuten sich gegenseitig in einem eigenen inoffiziellen Blechblaswettbewerb. Und am Ende begeht der Sieger einen Akt der Sachbeschädigung und schneidet in einem uralten Ritual die Schnüre vom Basketballkorb ab. So ist das nun mal im STUDENTEN-Basketball.

Es macht wenig Sinn, sich die brackets - sprich den Setzplan - vorab auch nur spekulativ anzuschauen. Obwohl die beteiligten Fernsehsender und ihre weisen Propheten seit Wochen nichts anderes tun. Denn das Programm füllt sich nur zu einem Teil qua Qualifikation. Wobei hierbei nicht zählt, was eine Mannschaft im Laufe der voraufgegangenen Saison mit ihren 20 bis 25 Spielen geleistet hat, sondern der Sieg in der Conference Tournaments (ebenfalls KO-System), die in diesem Moment überall in den Vereinigten Staaten ihre entscheidende Phase erreichen.

Damit aber alles etwas gerechter zugeht, gibt es eine anonymes Komitee, das am Sonntagabend die restlichen Teilnehmer des Meisterschaftsturniers nominiert und dabei die unterschiedlichsten Kriterien abwägt. Diese burschen bestimmen darüberhinaus, wer von den Auserwählten in welches der vier Regional-Brackets gesetzt wird. Dieser Prozess ist sicher der verrückteste Aspekt an March Madness. Denn er ist durch nichts zu beeinflussen und durch nichts zu begreifen. Natürlich reicht es, sich erst bei den Final Four wieder einzuklinken, wenn die vier verbleibenden Mannschaft in zwei Halbfinal- und dem Finalspiel den Meister ermitteln. Denn das halten auch die meisten Amerikaner so, weshalb die Final Four ein hochrespektables Fernsehereignis sind. Aber wer trotzdem gerne schon vorher sein Herz an eine Mannschaft hängen will, darf es ruhig probieren. Warnung: Das Turnierformat macht die Sache ziemlich unvorhersehbar. Das beste an der Veranstaltung: Weil Boris Beckers Kinder noch kein College besuchen, muss man nicht damit rechnen, dass er bei einem Spiel auftaucht und irgendjemanden interviewt.

Obwohl es ihm bestimmt in den Fingern juckt. Denn einer der Spieler ist Joakim Noah, der Sohn von Yannick Noah, nach dem Beckers Ältester benannt ist. Joakim spielt für die University of Florida, die im letzten Jahr Meister wurde, woraufhin mal wieder eine dieser merkwürdigen Pawlowschen Gossip-Momente im deutschen Sportjournalismus ausbrach: Geschichten zu Hauf über einen Basketballer, den bis dahin keiner kannte, der in einem Turnier gewonnen hatte, das keinen interessiert. Der bei seiner Mutter (einer Schwedin) in New York aufgewachsen ist, von der noch nie jemand gehört hat. Und der ziemlich roh und unfertig eine Sportart praktiziert, die mit der seines Vaters nicht mal entfernt verwandt ist.

Aber das genügte:
Joakim, übrigens Amerikaner und kein Franzose, habe "augenscheinlich Agilität, Schnelligkeit und Charisma von seinem Vaters geerbt" (schrieb die Welt).
"Die erstaunliche Entwicklung hat ihren Ursprung in Kamerun. Im vergangenen Sommer nutzte Joakim die Semesterferien, um in die Heimat seiner Vorfahren zu reisen" (schrieb SpOn).
"Joakim eifert Vater Yannick nach" (schrieb Eurosport).
"An sportlicher Begabung hat der letzte Spross der Familiendynastie einiges mitbekommen" (schrieb die NZZ, die in ihrer Geschichte auf den Opa hinwies, den ehemaligen Fußballprofi Zacharie Noah aus Kamerun).

In diesem Jahr spielt Florida nicht halb so stark wie vor zwölf Monaten. Und der junge Noah, der im letzten Juni bei der NBA-Draft sicher als einer der Top Ten genommen worden wäre, sieht auch nicht aus, als ob er sehr viel dazu gelernt habe. Theoretisch dauert sein Studium noch ein weiteres Jahr. Es sei denn, er verzichtet auf den Abschluss und wird Profi.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ist es nicht eigentlich die absolute Unfairness, wenn ein Komitee und nicht objektive Aspekte bestimmen, wer in der Setzliste wo landet bzw. überhaupt reinkommt? Gibt es keine Möglichkeit, das zu ändern?

Jürgen Kalwa hat gesagt…

In diesem Fall gibt es gar keine andere Möglichkeit. Die Leistungsparameter der Mannschaften sind so unterschiedlich, dass man ihre Resultate gar nicht mathematisch vergleichen kann. Es gibt klassisch starke Conferences wie die AAC (mit North Carolina, Duke etc.), aus denen werden mehrere Mannschaften nominiert. Es gibt schwächere Conferences, aus denen nur einer ins Feld der 65 kommt. Das Hin und Her über das Für und Wider ist es, was zwei Wochen lang vorher die Diskussionen um March Madness schürt. Und die Tatsache, dass dann im Turnier immer wieder sogenannte Aschenputtel-Mannschaften die Favoriten aus dem Rennen werfen. Nur eines ist klar: Wer nach diesem Marathon Meister wird, ist wirklich richtig gut.