1. März 2007

Wie weit daneben darf man eigentlich schießen?

Keine Ahnung, weshalb man bei der Online-Ausgabe von Sport Bild über Golf schreibt. Zuviel Platz? Zuviel Zeit? Zuviel emotionale Beziehung zu dem Spiel der Schotten? Zuviel Kompetenz kann es nicht sein. Das durfte man vor ein paar Tagen bei einer Geschichte über das Match-Play-Turnier in Arizona feststellen. Überschrift:
"1,35 Millionen Dollar für vier Tage Arbeit "
Klingt gut. Ist aber falsch. Während normale Zählwettspiel-Turniere in vier Runden tatsächlich an vier Tagen entschieden werden, kommt man damit bei einem 64er-Feld wie dem Lochwettspiel-Turnier unter der Flagge von WGC-Accenture nicht aus. Sechs Runden werden in fünf Tage hineingequetscht: Viertel- und Halbfinale finden samstags statt. Dazu kommen 36 Löcher als Doppelrunde beim Finale am Sonntag. Die werden meistens nicht komplett ausgespielt, weil der Sieger häufig eher feststeht. So war diesmal das Match an Loch 35 zu Ende. Aber theoretisch kann sich das Ganze auch noch weiter hinziehen, wenn die Partie auch auf dem letzten Grün all square steht. Unterm Strich: Stenson musste als Sieger in Marana das Äquivalent von sieben Golfrunden in fünf Tagen absolvieren.
"Nach dem Sieg gegen Titelverteidiger Geoff Ogilvy war Stenson um 1,35 Millionen US Dollar reicher".
Klingt gut, ist aber falsch. Zehn Prozent der Gewinnsumme gehen auf jeden Fall schon mal an den Caddie (siehe Geschichte über die Dame hier). Mehr als 30 Prozent von dem Rest gehen an die Steuer.
"Im Finale gegen Ogilvy über 36 Löcher musste Stenson allerdings eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle durchmachen."
Klingt gut, ist aber falsch. Erstens ging das Match nur über 35 Löcher, dann war es entschieden (siehe oben). Doch weit wichtiger: Der größte Rückstand, den Stenson hatte, war "2 Down" (zehn Löcher vor Schluss), was im Match-Play-Geschäft soviel Rückstand ist wie ein Break im Tennis - eine Blubberblase auf dem großen Teich. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Weit vorne lag er auch nie. Das Spiel plätscherte dahin und hatte nur wenige sportliche Highlights. Was auch an dem Platz liegt: Viel zu breite Bahnen und riesige, ziemlich harmlose Grüns.
"Die beiden Siege katapultierten ihn in der Weltrangliste auf den fünften Platz."
Klingt gut, ist aber falsch. Die Weltrangliste wird jede Woche berechnet. Ehe Stenson nach Amerika flog stand er auf Platz 8. Durch den Sieg gegen Geoff Ogilvy rückte er auf Platz 5 vor. Dafür braucht man ein Katapult? Vorher war er mit seinem Erfolg in Dubai von Rang 14 auf Rang 10 geklettert. Wie katapultig war das? Gar nicht.

Was stand nicht in der Meldung? Dass Stenson damit der in der Weltrangliste bestplatzierte Europäer ist. Dass er den bislang höchsten Rangplatz eines Schweden inne hat. (Jesper Parnevik kam nur bis auf 7.) Dass er mit Abstand die europäische Order of Merit anführt. Dass er einen Sportpsychologen (der Schwede Torsten Hansson) beschäftigt, der ihn nach einer ziemlichen Leistungskrise vor fünf Jahren wieder aus der Tiefe herausgeholt hat (zusammen mit einem vom Engländer Peter Cowan völlig überarbeiteten Schwung, der zuerst alles nur noch schlimmer machte, bevor es besser wurde). Und dass er Fanny hat, den einzigen weiblichen Caddie im Topgolf der Männer. Auf der Scorekarte von Stensons und Ogilvys Finalbegegnung kann man übrigens das Match genau nachverfolgen. Das Link ist hier.
Manche Leute, die sich ein Golfsouvenir in der Wüste von Arizona angeln wollen, erleben übrigens schon mal solche Augenblicke:
Blick zurück: Fanny trägt immer den besten die Tasche
Blick zurück: Wenn man Tiger Woods einen Putt andichtet, ist Sport Bild dabei

Keine Kommentare: