Ein internationaler Ideenaustausch ohne weitere Konsequenzen - das ist die Grundlage für das Abkommen, das MLS und die deutsche Bundesliga geschlossen und heute in Miami Beach bekannt gegeben haben. Die beiden Fußball-Ligen sind unterschiedlich genug, so dass bei der Kooperation vielleicht sogar etwas Nützliches herauskommen könnte. Die Amerikaner werden erzählen, wie das funktioniert mit der Salary Cap, der Spielergewerkschaft und der Vermarktung von Fußball an ein Publikum ohne traditionelle Anbindung an das Spiel. Und die Deutschen wollen vermitteln, wie man Fernsehkameras im Stadion postiert, damit die Übertragungen schicker aussehen. Und sie glauben auch, ein paar Tipps geben zu können, wie man schon früh junge, aussichtsreiche Talente erspäht. Ein bisschen Entwicklungshilfe also an die Adresse von Major League Soccer, die seit zehn Jahren einen zähen Kampf um Zuschauer und Erträge führt. Mit dem Hintergedanken, wie Geschäftsführer Christian Seifert erklärte, dass sich die einmal wachgeküssten Amerikaner dann irgendwann auch für internationalen Fußball interessieren - "wie die Bundesliga". Schön gesprochen, aber auch irgendwie kurios formuliert, wenn man liest, wie die Premier League derzeit in Asien bei den Fernsehrechten abkassiert (siehe hier und hier). Ligavertreter werden sich zweimal im Jahr treffen. "Wir betrachten die USA als unseren wichtigsten strategischen ausländischen Markt", sagte Seifert. Hoffentlich nicht nur für Winterferien im Warmen...
Es wäre tatsächlich interessant zu wissen, ob mit der Hinwendung nach Amerika auch ganz langsam eine neue Ausrichtung weg von der ideologischen Ausrichtung auf das heimliche Vorbild England beginnen würde - das Land aus dem der Begriff "Englische Woche" für die eingeklinkten Dienstags- und Mittwochsspiele kommt, das Wort "Derby" - der definitive Ausdruck für ein Match zwischen Lokalrivalen und - nicht zu vergessen - die Fankultur mit den Schals und Gesängen und den Hooligans - alles importiert und adaptiert.
Denn tatsächlich ist aus England, wo zur Zeit ausländische Megalomanen die wirtschaftlich attraktive Erbmasse der Brands ManU, Liverpool, Aston Villa, Chelsea etc. mit dem Reflex von Heuschrecken angreifen, nicht mehr viel zu lernen, wenn man das Konzept Ligasport (eigentlich ja Vereinssport - Stadtviertel gegen Stadtviertel, Stadt gegen Stadt) in einem durchkommerzialisierten Strukturrahmen intakt und publikumswirksam weiterführen will.
Es gibt viel zu tun: Gegen die Powerhouse-Welt da draußen mit all den namhaften Topmannschaften und enormen TV-Lizenzen, die inzwischen die Bundesliga auf eine zehnmonatige Q School reduziert, in der die spannendste Frage nicht mehr lautet: Wer wird Meister? Sondern welche der zehn Mannschaften, die monatelang im Kampf gegen den Abstieg und die Existenzvernichtung nach unten starren, schaffen es aufs Rettungsboot?
Leider übertüncht und überklebt diese sadistische Ersatzfaszination am Abstiegskampf, dass in Deutschland bisher niemand einen Gedanken darauf verschwendet hat, mit einem klugen Blick nach vorn eine praktikable Zukunft zu gestalten. Die mächtige Sipp- und Seilschaft an der Spitze des Bayern München hat jahrelang eine grundlegende Diskussion über vernünftige Reformen verhindert. In München förderte man in all den Jahren nur eines: Den Ausverkauf von allem, was mal so reizvoll war am deutschen Fußball: Zuerst die regional verwurzelten Spieler (ob in Bayern, im Ruhrgebiet oder in Hamburg), dann die Rivalität der Spielauffassungen von erstklassigen Trainern. Das gipfelte vor kurzem in einer eigentlich unvorstellbaren Kuriosität: dass ein Teil von Klinsmanns Nationalspielern in ihrem Club nur noch zweite Wahl waren. Das Problem: Für all das, was da ganz langsam verloren ging, wurde nie Ersatz besorgt. Der authentische ortsverwachsene Fußball, wie man ihn in St. Pauli spürt, ist längst nur noch eine Illusion. Die Realität ist anders.
Sagte jemand England? Die Engländer kennen das alles. Sie kennen das, wenn eine Nationalmannschaft gurkig spielt und nichts gewinnt. Sie kennen auch das Problem der feindlichen Übernahme von Investoren aus den USA und Russland, die ungebeten und ohne Einspruch einer wirkungsvollen Kontrollinstanz den Ligasport weiter transformieren. Hin zu einem merkwürdigen Spektakel, bei dem für das zahlende Publikum nur noch tote Symbole übrig bleiben - die Logos, Vereinsfarben, Wimpel und die Fotos von alten Pokalen und die Erinnerungen an die schrammeligen alten Stadien mit ihren bedeutungsvollen, aber schlichten Namen. Viele englische Fans sind skeptisch bis sauer, denn sie haben, wie sich im Fall von Manchester United besonders deutlich zeigte, überhaupt keine Einwirkungsmöglichkeit auf das Milliardenspiel der Aktienbesitzer, Sponsoren und Sportausrüster. Warum? Weil sie die Entwicklung verpennt haben und nicht rechtzeitig ihren Einfluss auf die Gestaltung des Ligasports geltend gemacht haben.
Dagegen kann Amerika eine Menge an anregenden Konzepten bieten. Teilweise sind sie mehr als hundert Jahre alt, teilweise sind sie ganz frisch und aus der Not geboren. Wer die nicht studiert, ist selber schuld. Mal sehen, was die Bundesliga aus der neuen Konstellation herausholt.
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