Vor ein paar Tagen lief eine riesenlange, detaillierte Human-Interest-Geschichte in der New York Times über eine Gruppe der ärmsten Flüchtlingskinder aus Afrika, die in einer kleinen Stadt im Bundesstaat Georgia unter Anleitung einer selbstbewussten Frau aus Jordanien Fußball spielen. Die Schwierigkeiten der Kinder sind groß. Die Hauptstoßrichtung des Artikels: Die Alteingesessenen sind herzlos und haben etwas gegen Fußball und stellen dem Team - Spitzname Fugees - nicht mal ein Gelände zur Verfügung, auf dem sie trainieren können. Ja, wenn sie Baseball spielen würden, das wäre etwas anderes....
Der Artikel hatte viele Elemente, die das Selbstbild der USA als aufrechte, hilfsbereite und stolze Insel in der Kakophonie von Krieg, Terror und Gewalt in anderen Teilen der Welt schwer ankratzen. Denn die meisten Amerikaner hätten sicher gedacht, dass Flüchtlinge, die mal gerade dem Tod in Afrika entkommen sind, in den Vereinigten Staaten besser behandelt werden. Aber alles, was sie kennenlernen, sind Vorurteile und massive Schwierigkeiten, die den psychologisch wichtigen Rettungsanker Fußball gefährden. Man braucht viel Zeit, um den Text zu lesen und ihn mit seinen vielen zusammengewirkten Lebensfäden zu begreifen. Erst recht, wenn man sich die Multimedia-Produktion anschaut - mit Unmengen von Fotos, einem erklärenden Text von Autor Warren St. John und den Tondokumenten, zu denen eine Motivationsnummer der Trainerin gehört, die ihre Burschen harsch angeht.
Hollywood-Produzenten lesen quer. So brach, wie das Wall Street Journal heute schreibt, innerhalb von Stunden nach dem Erscheinen der Geschichte ein enormer Wettstreit um die Filmrechte aus. Da alle wichtigen Figuren - die Zeitung, der Journalist und die Trainerin - klug genug waren, sich Agenten zu besorgen, kletterte der Preis für die Rechte auf 3 Millionen Dollar, ehe der Zuschlag erteilt wurde. Das Geld wird geteilt. Ein gewisses Quantum wird in eine Stiftung fließen, die die Trainerin aufgemacht hat, um ihren Kindern endlich einen vernünftigen Fußballrasen zu besorgen. Auch diese Wirtschafts-Geschichte ist lang, und man braucht viel Zeit, um sie zu lesen. Aber das lohnt sich ebenfalls. Nicht weil die Moral von der Geschichte sein könnte: In Amerika wird am Ende wie in Hollywood immer alles gut. Nein. Es handelt sich um ein Lehrstück in Sachen Medienrealität. Die Asylanten-Kinder sind bei all dem nur die Objekte, das Kanonenfutter, die Ware, der Stoff, an dem sich andere aufregen und ergötzen.
Mehr über das Thema: die Fugees-Website.
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