24. Februar 2007

Golferlatein aus HH: Wenn Woods beim Putten patzt

Der Australier Nick O'Hern, ein stoisch und verschlossen wirkender Mann mit einem ellenlangen Putter in der Tasche, der ihn noch älter aussehen lässt, als er ist, hat am Freitagabend einen richtigen Crowded-House-Augenblick gehabt. Oder besser: Sein Caddie hatte den - am Rand des ersten Playoff-Grüns beim Matchplay-Turnier in Marana außerhalb von Tucson/Arizona. Der Linkshänder hatte gerade zum Par eingelocht und wartete darauf, dass sein Gegner Tiger Woods einen rund einen Meter langen Birdie-Putt verwandelte. Da drückte ihm sein Caddie zu seiner Überraschung den blank geputzten Ball in die Hand, so als ob er sagen wollte: "Don't dream it's over, das Spiel geht weiter". O'Hern reagierte überrascht: "Mann, solche verpatzt er nicht." Aber da hatte Tiger Woods auch schon das scheinbar Unmögliche vollbracht. Sein Putt rollte am Loch vorbei. Und so marschierten die beiden zum zweiten Loch des Stechens, das der Amerikaner mit einem Bogey verlor. So spielt O'Hern heute gegen den Schweden Henrik Stenson in der Runde der letzten acht, und Tiger Woods, dem die amerikanischen Medien eine kuriose Siegesserie angedichtet hatten, flog vorzeitig nach Florida.

Zu dieser sogenannten Serie wäre viel zu sagen. Das haben die australischen Golfjournalisten nach dieser Niederlage denn auch besonders gerne und mit ausgiebiger Häme getan. Denn tatsächlich hatte der Weltranglistenerste zwischendurch auch mal Turniere nicht gewonnen, an denen er teilgenommen hatte. Turniere, die unter anderem so bedeutend sind, dass man bei ihnen Punkte für die Rangliste ausschüttet. Aber bis zum dpa-Schreibtisch in Hamburg hatte sich das noch nicht herumgesprochen. Denn die Agentur meldete heute morgen unverdrossen: "Die Siegesserie von Golf-Star Tiger Woods ist durch eine seltene Nachlässigkeit des Weltranglistenersten gerissen." Der Verfasser der Nachricht hatte sich ganz offensichtlich beim Quellenstudium nicht viel Mühe gegeben. Was man schon daran erkennen kann, wie diese "seltene Nachlässigkeit" im Text beschrieben wird: "Beim entscheidenden Putt zum möglichen Sieg ... verpasste Woods den Ball." Für all jene, die mit Golf nicht besonders vertraut sind: Eine solche Darstellung würde implizieren, dass der sonst so unfehlbare Woods den Ball nicht getroffen hatte. Das gibt es durchaus. Und die Golfregel ist in einem solchen Fall auch klar und eindeutig: auch ein fehlgeschlagener Schwung wird als Schlag gerechnet.

Aber das war überhaupt nicht passiert. Der Amerikaner traf den Ball, bloß rollte der nach Darstellung von Tiger Woods über den linken Rand eines nicht ordentlich ausgebesserten Abdrucks, den der Ball eines anderen Flights hinterlassen hatte. Die Unebenheit veränderte die Rollrichtung. Woods ärgerte sich, dass er Ungleichmäßigkeit nicht vorher erkannt und mit seiner Pitchgabel ausgebessert hatte: "Das war eine sehr einfache Sache. Aber ich habe dem einfach keine Beachtung geschenkt."

Aber weiter mit dpa und dem Mythos von der Siegesserie: "Woods scheiterte damit auch bei dem Versuch, den Rekord des legendären Byron Nelson zu brechen, dem vor über sechzig Jahren elf Siege nacheinander gelungen waren." Und dann weiter mit einem Blick auf diese Seite von Golfinvestors.com, die die letzten Resultate von Woods schön übersichtlich aufgereiht. Na? Was sehen wir da seit den British Open? Einen neunten Platz bei der World Matchplay Championship in Wentworth. Zwei zweite Plätze im November, einen dritten Platz vor ein paar Wochen in Dubai. Von welcher Serie ist da eigentlich die Rede? Das sagt die Meldung nicht. Was damit gemeint ist, darf man sich in den USA aus anderen Quellen zusammenpuzzeln. Dort, wo diese Serie erfunden wurde. Sie bezieht sich auf die interessante , von Hand gedrechselte Super-Sonder-Kategorie: von der US-PGA-Tour als relevant sanktionierte Turniere. Alles klar? Die anderen Turniere, an denen ein Tiger Woods teilnimmt und bei denen er nicht gewinnt, zählen nicht. Selektives Seriensyndrom nennt man diese Krankheit. Verursacht von Statistik-Heiopeis, die zuviel von den Klebstoffen einatmen, mit denen sie ihre ausufernden Lose-Blatt-Sammlungen zusammenhalten. Verbreitet von Dampfplauderern an den TV-Mikrophonen, die ihre Zuschauer mit solchen hübsch verzerrten Informationen an die Bildschirme locken. Und aufgeschnappt und weitergereicht von Nachrichtenagenturen, die es besser wissen könnten, aber sich nicht die Mühe machen, es zu recherchieren oder in Frage zu stellen.

Was den "legendären Byron Nelson" angeht: Schwer zu sagen, ob über den schon jemals bei dpa eine Geschichte gelaufen ist. Falls ja, dann stand hoffentlich folgendes drin: Die Serie von Nelson aus dem Jahr 1945 hat den Ruch des Geschönten. Die USA waren nach der Kapitulation Deutschlands im Mai bis in den Spätsommer mit dem Krieg gegen Japan beschäftigt. Nelson war ausgemustert worden, weil man bei ihm eine Bluterkrankung festgestellt hatte. Andere Profigolfer hatten nicht so viel Glück. Da wäre zum Beispiel die Geschichte von Lloyd Mangrum zu erwähnen, der 1946 die US Open gewann, nachdem im Krieg aktiv an der Landung in der Normandie und bei den Kämpfen um Bastogne teilgenommen hatte, zweimal verwundet und mehrfach dekoriert wurde. Diesem Gegner zollte selbst Nelson später Respekt: "Jedes Mal, wenn du ihn geschlagen hast, wusstest du, dass du gut gespielt hast." Wie praktisch, dass ihm bei der Serie von 1945 ein Mangrum nicht im Weg stand. Der Texaner ist heute so gut wie vergessen (nicht bei den Experten, die dafür sorgten, dass er in die Hall of Fame aufgenommen wurde), aber bei den Leuten, die dieser Tage mal schnell eine Meldung über Tiger Woods zusammenzimmern.

Die Konsequenzen einer fehlerhaften Meldung - das geht dann gleich ab wie bei der stillen Post:
Sport Bild: "Blackout kostet Tiger Woods den Sieg"
golfmagazin.de: "Blackout kostet Tiger Woods den Sieg"
Bild Online: "Siegesserie von Tiger Woods gerissen"
Sport1.de: "Bittere Niederlage für Woods"

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen Beitrag. Mich nervt das auch schon seit Wochen was sich die v.a. amerikanischen Medien da zusammendichten. Genauso aussagekräftig wie Statistiken über "Putts made on the 36th hole after a preceding downhill lie and spectators coughing whilst the preshot routine".

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Mich nerven die Amerikaner weniger. Wahrscheinlich, weil ich mich daran gewöhnt habe, dass sie bei bestimmten Dingen einfach nicht zurechnungsfähig sind (weshalb die US-Sportblogger im Kontrast dazu so erfrischend und anregend sind). Mich bringen erst Leute auf die Palme, die in Deutschland sitzen und das alles auch noch ohne Not unreflektiert übernehmen. Besonders die Agenturen - dpa und sid - müssten sorfältiger arbeiten. Denn deren Material taucht anschließend überall auf. In den Zeitungen, auf Webseiten. Dies war ein besonders krasses Beispiel.

Anonym hat gesagt…

Mal ehrlich: welche Ahnung haben die vom Golf? Aber das ungeprüfte Übernehmen von Inhalten ist ja themenunabhängig.

Trotzdem bin ich enttäuscht von der gesamten Golfberichterstattung hier in Deutschland, da bekommt Kreisligafussball mehr Aufmerksamkeit. Tja, da haben die deutschen Golfblogger eben eine Lücke zu füllen ;-).