Die Newsseite von ESPN scheint solche Manieren überhaupt nicht nötig zu haben. Dort tut man so, als habe das Heer der eigenen Reporter ständig das Ohr an den Gleisen und höre denn auch mehr und früher als die anderen. Das Verhalten entspringt der Position im Gesamtmarkt. Als Fernsehanbieter ist ESPN schlichtweg ein Elefant, unübersehbar, nicht zu umgehen, und verdammt dickhäutig. Im Internetbereich tritt man man nicht minder fett und breit auf. Platz 36 bei alexa, 3 Millionen Clicks am Tag. Das fördert Überheblichkeit.
Warum wir darüber reden? Weil sich mal wieder die Streitfrage erhebt: Wer hat als erster gemeldet, dass der neue Trainer der Dallas Cowboys Wade Phillips heißen wird? ESPN oder die Dallas Morning News, wie man dank der fleißigen Blog-Kommentare weiß. O-Ton ESPN, wo man behauptet, man habe den Scoop gelandet:
"ESPN's Chris Mortensen first reported that Phillips will become Dallas' head coach Wednesday, citing league and team sources. Phillips traveled from San Diego to Dallas on Wednesday night after being told that he was their choice to replace the now-retired Parcells."Schön, wenn's stimmt. Doof, wenn nicht: Dies lief vor einer Stunde bei RotoWorld:
"Cowboys director of public relations Rich Dalrymple told the AP that "the (team's head-coaching) job hasn't been offered to anyone."
Das muss wohl alles noch einmal neu aussortiert werden. Denn selbst nach dieser Meldung schicken andere Seiten noch immer munter die alte, eindeutig dementierte Information ins All. Ihr Vertrauen in ESPN scheint unerschütterlich. Ohren wieder ans Gleis, meine Herren...
Nachtrag: Ein paar Stunden später steht offiziell fest, dass Mr. Dalrymple Pinocchio genannt werden darf, weil er so schlecht lügt. Und dass die Cowboys nämlich doch Wade Phillips verpflichtet haben. 59 Jahre alt. Nicht besonders erfolgreich als Cheftrainer in solchen Städten wie Denver, Buffalo und New Orleans, wenn man die Playoffs zum Maßstab macht (und das sollte man wohl). Drei Spiele, drei Niederlagen. Also ungefähr die Quote seines Vorgängers Bill Parcells an Ort und Stelle. Phillips war zuletzt Defensive Coordinator bei den San Diego Chargers und hat dabei sehr gut ausgesehen.Das Problem von Eigentümer Jerry Jones wurde in den letzten Wochen immer deutlicher: Der Markt ist leer, wenn es um namhafte Übungsleiter mit Super-Bowl-Erfahrung geht. Und so viel Mumm wie die Pittsburgh Steelers mit ihrer Verpflichtung zeigten (siehe hier), hat er nicht. Nicht mehr. Denn das war früher mal anders. Als er den Laden aufkaufte und die Trainerikone Tom Landry mitsamt dessen Seilschaft nach Hause schickte, nahm er Jimmy Johnson ins Boot und sie klügelten die raffiniertesten Trades der NFL-Geschichte aus. Ungefähr wie wenn man Stroh zu Gold macht. Troy Aikman, Emmitt Smith, Michael Irwin und Daryl Johnston, um nur die zu nennen, die einem aus dem Stand einfallen, kamen als unbeschriebene Blätter nach Dallas. Sie wurden die Rythmusgruppe und Dirigent eines Unterhaltungsorchesters, dass attraktiven, risikofreudigen Football spielte. Das gelang - noch vor der Salary Cap - auch ohne Geldverschwendung. Es war schlichtweg eine hochintelligente Vorgehensweise, die mit drei Super-Bowl-Siegen honoriert wurde. Der Club ist heute sicher mehr eine Milliarde Dollar wert. Jones hatte das Team mitsamt dem Stadion 1989 für 180 Millionen Dollar gekauft.
ESPN.com tat übrigens so, als wäre nichts gewesen: "Überraschung!", lautete die Headline auf der Aufmacherseite. "Cowboys verpflichten Phillips". Ja, wie überraschend war es denn nach all den Meldungen von davor?
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