8. Februar 2007

Reaktionen auf Amaechis Bekenntnis: Ganz viel Geklapper in den USA und Schweigen in Deutschland

Die Burschen von outsports.com sind nicht scheu. In ihrer Selbstdarstellung erklären sie ihren Standort klipp und klar: "Outsports ist ein Muss für alle in den etablierten Medien geworden, die mehr über das Thema Sexualität und Sport wissen wollen." Sie wissen nicht nur mehr. Sie spekulieren auch gerne mehr. So kann man derzeit in der Geschichte über den Ex-NBA-Profi John Amaechi und sein offenes Bekenntnis zu seiner Homosexualität einen Hinweis auf einen Beitrag aus dem April 2001 finden, in dem darüber gemutmaßt wurde, welche Spieler und Ex-Spieler aus der Basketballszene schwul sein könnten. Die Liste bestand damals aus zehn Namen und ist noch immer verfügbar. Zumindest in einem Fall weiß ich aus Gesprächen mit Homosexuellen, dass sie die Einschätzung teilen - die meisten haben einen geschulten Blick für den Gestus und die Körpersprache von In-the-Closet-Gays. Amaechi war damals auch auf der Liste. Auf Platz 6.

Mit welchem Stigma schwule Sportler leben, wurde aus den Reaktionen von NBA-Spielern deutlich. Hier die Stellungnahme von LeBron James, einem Hoffnungs- und Imageträger, der mit 22 Jahren noch nicht ganz die aalglatte nichtssagende Art eines Tiger Woods oder Michael Jordan beherrscht (via Sports On My Mind):
"Mit Mannschaftkameraden brauchst du Vertrauen. Und wenn du schwul bist und das nicht zugibst, dann bist du nicht vertrauenswürdig."
Eine andere Art und Weise, nur scheinbar durchdacht und intelligent, um homosexuelle Männer herunterzumachen. Denn wie kann einer nicht vertrauenswürdig sein, wenn er etwas nicht zugibt, was solange kein Thema ist, solange er es nicht zugibt?

Das Thema Amaechi und der seelische Druck von Schwulen und Lesben, in den Umkleidekabinen der Welt ihre Identität zu verleugnen, ist in den USA ein riesiges Thema. Ein Blick auf die deutschen Basketball-Blogs könnte einem das glatte Gegenteil glauben machen. Hoopnation murmelt etwas von "Mid-Season Awards", als ob es so das überhaupt gäbe. Dazu ein Foto einer üppig ausgestatteten Dame (keine Basketballspielerin, nehmen wir an) mit Schnullermund und einem T-Shirt Vote or Die. Die Basketball-Blogs schweigen ebenfalls, haben aber noch unter "neueste Artikel" eine Abhandlung über die "Die Schlägerei im Madison Square Garden" aus dem Dezember, die es auch nicht gab (es war nicht mehr als ein heftiges Geschubse, bei dem ein einziger Schlag ausgeteilt wurde, der nicht mal richtig traf). Johannes Berendt von Click and Roll auf der deutschen Seite von nba.com hat auch andere Sorgen. Er bereitet seine Leser "behutsam auf das 56. All-Star Weekend vor", als wäre jede andere Form der Einstimmung einfach zu riskant. Crossover ("Das Online-Basketball-Magazin"), mit einem Rattenschwanz von Namen im Impressum, hat auch noch niemanden gefunden, der das Thema anpacken will. Man diskutiert lieber solche hochbrisanten Fragen wie: "Bist du süchtig?" Wonach? Nach einer gelb-braunen Pille "in deinen Fingern", von der offensichtlich eine nicht näher bezifferte Gruppe von seelisch kranken Basketballfans abhängig sind. Was für eine Pille? Das vermag der Blog auf 100 Zeilen nicht zu sagen. Man muss vermuten, es handelt sich um den Ball.

Auch Eurosport sitzt auf den Händen sowie die fetzigen Stehgeiger von SpOn, die lieber die Geschichte von dem Bar-Zwischenfall aus Indianapolis ausschlachten, in den ein paar Pacers verwickelt waren, die aber zunächst noch alles abstreiten. So muss dann eine Frage erlaubt sein? Haben all die NBA-verrückten Blogger und Schreiber eine dunkle Brille auf, wenn es um Stoffe geht, in denen ein gesellschaftliches Problem angesprochen werden muss? Oder finden Sie das Thema - der erste ehemalige NBA-Spieler, der sich öffentlich zu seinem Schwulsein bekennt - einfach nicht wichtig? Nicht signifikant? Nicht erhellend? Falls ja, dann gute Nacht.
Blick zurück: Einer kommt aus dem Kleiderschrank - der erste Amaechi-Beitrag

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist einfach mal wertfrei in die Mitte geworfen:

Kann die mangelnde Aufmerksamkeit in Deutschland mit dem untergeordneten Interesse an John Amaechi als öffentlicher Person zu tun haben?
Ich glaube, daß man kaum jemanden mit seinem Namen hinter dem Ofen hervorlockt. Einfach weil ihn sowieso keiner kennt. Ob schwul, hetero oder bisexuell ist dann auch egal.

(Am Rande, ich kann keine E-Mail verschicken, ist die Adresse im Profil fehlerhaft oder liegts an mir?)

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Den Gedanken finde ich erst mal akzeptabel. Aber wer kennt die drei Pacers-Spieler in Deutschland? Die anderen Seiten tun auch gerne alle so, als ob sie konsequent über Neuigkeiten berichten und ihren Lesern einen aktuellen Eindruck von der NBA geben. Der Aspekt Prominenz ist in den Zitaten verborgen, die man haben kann. Ich habe nur einen Spieler zitiert - einen der neuen Superstars. Tracy McGrady hat was gesagt, David Stern hat was gesagt. Charles Barkley auch. Andere werden sicher noch ihren Mund aufmachen. Das komplette Schweigen in Deutschland ist ein Anzeichen dafür, dass man das letzte große Tabu-Thema im Sport entweder ignoriert, nicht versteht oder den Status Quo stillschweigend akzeptiert, weil man selber jene schwulenfeindliche Ader hat, die der Kern des Problems ist. Es wäre schön, wenn es anders wäre.

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Meine E-Mail-Adresse lautet: jkalwa[at]identiteam.com. die Blogger-Software erlaubt leider nicht, sie auch so zu einzutragen. Ich hatte schon Spam und habe sie deshalb bewusst abgewandelt. In der Hoffnung, dass das jemand sieht und korrekt umwandelt. Ich muss mir da noch was Anderes überlegen....

Anonym hat gesagt…

O.K. akzeptiert.
Die Pacers-Geschichte leuchtet ein. Die Spieler kennt hier auch kaum jemand.

Eine andere Erklärung/Überlegung habe ich dann auch nicht.

Jürgen Kalwa hat gesagt…

Ich sehe gerade, dass immerhin die "Welt" etwas gebracht hat, wenn auch mit einer Disclaimer: "Der heute 36-Jährige, der 2003 seine Karriere beendete, gilt als einer der schlechtesten Spieler in der Geschichte der Utah Jazz." Das haben sie wohl von der "Salt Lake Tribune". Der "Tribune"-Artikel enthält übrigens einen schön gesetzten Seitenhieb: "the young Brit redefined the cliche, "Take the money and run." Amaechi took about $6 million of Larry Miller's money and didn't run . . . didn't shoot . . . didn't rebound." Jetzt verdient er erneut. Mit dem Buch.

Paul Niemeyer hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym hat gesagt…

Ich spreche hier einfach mal als Vertreter der basketball-blogs:

Warum zum Henker sollten wir über die sexuellen Vorlieben eines Ex-NBA-Spielers berichten (wäre er aktiv würde vllt der jeweilioge Team-blog etwas schreiben, vielleicht auch nicht)?
Soll ich auch eine Meldung im Blog schreiben: LeBron James ist hetero?
Und damon jones auch.
und und und...

Was geht mich/uns denn sein Privatleben an? Ist Homosexualität heutzutage wirklich noch so schockend, dass man dem einen Artikel widmen muss?
Ich glaube nicht.
Wirkt mehr wie ein Thema mit dem man Besucher anziehen kann, das sicher ja, aber deswegen bleibt es immer noch unnötig.

Darum werden wir weiter unsere "drunkle Brille" aufbehalten und nur über relevante Themen berichten.

mit freundlichen Grüßen,
Zahnbürste